Nach 110 Jahren: Abschied von der Wagenhalle

Ab Samstag reißen die Stadtwerke die Wagenhalle der Schwebebahn in Oberbarmen ab. Die WZ hat sie ein letztes Mal besucht.

Oberbarmen. Klaus-Dieter Fahl steht in der Wagenhalle Oberbarmen. Hinter ihm fährt gerade ein Zug ein — nur durch dieses Portal fällt Licht in die weite, halbdunkle Halle mit ihrem Holzboden, dem grünen Stahlgerüst und den vor Dreck blinden Fenstern. Der kleine, schlanke Mann mit Schutzhelm auf dem graumelierten Haar seufzt. „Jetzt war’s wirklich für mich das letzte Mal hier“, sagt Fahl, Wartungsleiter des Schwebebahngerüsts. Dabei stehen ihm sogar die Tränen in den Augen. Seit fast 40 Jahren ist er jetzt schon bei den Stadtwerken, zweimal reparierte er die Schwebebahnkehre in Oberbarmen. Jetzt ist das vorbei — denn an diesem Samstag rücken die Bagger an und reißen nach 110 Jahren die Wagenhalle ab.

„Die Technik ist einfach antiquiert, alles muss noch mit Hand bediehnt werden“, erklärt der Pressesprecher Holger Stephan der WSW. Die Umgebung passt dazu: Der Boden ist verstaubt, die Farbe blättert von den Stahlträgern ab. Überall hängen Spinnenweben, es wimmelt nur so von Tauben. „Für die zahlreichen Tauben haben wir jetzt auch extra ein Taubenhaus vor der Halle aufgebaut“, sagt Fahl. Mit Futter werden die bald heimatlosen Vögel in grüne Container gelockt.

Während er erzählt, rollen bei diesem Ortstermin in der letzten Betriebswoche der Wagenhalle, in regelmäßigen Abständen die Bahnen über die Schiene. Sie drehen hinten in der Halle ihre Runde — eine ihrer letzten. Noch quietscht es sehr laut. Die Schlosser laufen schnell die Stiegen zur Laufschiene rauf und besprühen sie mit Öl. „Damit wird die Lautstärke ein bisschen gedämpft“, erklärt Fahl. Er streicht über den Stahl — hier kennt er jede Niete.

„Die Technik von vor 100 Jahren ist einfach faszinierend — bald funktioniert hier alles nur noch über Sensoren“, sagt er. Per Hand muss der Stromzufluss für die einzelnen Weichen umgelegt werden. Das Ganze funktioniert noch wie 1903 mit einem Hebel. An einem Schaltpult stehen die Schlosser und richten die Weichen per Knopfdruck aus.

Heinrich Skora ist einer von ihnen. Dem schweren, grauhaarigen Mann ist die Wehmut anzusehen. „Ich arbeite jetzt schon seit 1971 hier. Ich bin einfach nur traurig. Sehr traurig“, resümiert der Schlosser mit zitternder Stimme. Er hat in der alten Wagenhalle schon viel erlebt.

„Früher haben wir immer in der Nacht die Kappen von den Fahrbegleitern unter die Decke gehängt. Und morgens haben die immer suchen müssen“, sagt der Arbeiter lachend, „wir hatten hier so viel Spaß!“ Ihre Arbeit übernimmt demnächst vollautomatische Technik. (Die Schlosser werden dann von den WSW an anderer Stelle eingesetzt.)

Trotz aller Wehmut: Die Stadtwerke sind erleichtert, dass der Umbau jetzt losgeht — nach jahrelanger Kritik an der Abriss-Entscheidung (die WZ berichtete). Ein Teil der Halle bleibt immerhin erhalten: „Zwei äußere Wände haben wir restaurieren lassen. Diese werden in den Neubau integriert“, sagt WSW-Sprecher Stephan. „Die alten Antriebe und Zahnräder heben wir auch auf. Die kommen in unser Museum“, ergänzt Klaus-Dieter Fahl.

Die neue Wartehalle wird im Gründerzeitstil wieder aufgebaut. Die Farben bleiben identisch — die neue Halle ist dann nur sieben Meter länger als die jetzige. Die Kehre befindet sich dann weiter vorne. So kann der Schwebeverkehr schneller ablaufen. Während der Abrissphase bringen die Stadtwerke die 28 Schwebebahn-Wagen in anderen Bahnhöfen unter — natürlich streng bewacht. In dem kleinen Aufenthaltsraum für die Schwebebahnfahrer ist die Abschiedsstimmung zu spüren. Vieles ist schon ausgeräumt, Stühle gestapelt. „Bald ist es hier vorbei“, sagen sie und schweigen.