Matinée Konzertreihe verbindet Musik mit Literatur
Auftakt-Matinée im Ort bescherte den Gästen Improvisation und Philosophisches.
Mit Zitaten des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy über Orte in der Welt und Stätten, wo etwas stattfindet, leitete am Sonntag der Wuppertaler Violinist Christoph Irmer, passenderweise im gut besuchten Ort im Luisenviertel, eine neue Sonntagsmatinée Konzertreihe ein. Die Gedanken über Ort und Musik und die Frage: „In was für einer Welt leben wir eigentlich? Und wie wollen wir musizieren und diskutieren?“ stellte Irmer an den Anfang der interessanten, kurzweiligen, tiefgründigen und gleichzeitig unterhaltsamen Veranstaltung, der in diesem Jahr noch drei weitere folgen sollen.
Initiator Christoph Irmer hatte für die Auftaktveranstaltung die in Irland lebende Saxofonistin Franziska Schroeder eingeladen, die ihre musikalischen Ideen und Improvisationen um philosophische Gedanken des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa (1888 bis1935) entwickelte. Mit einer kurzen Improvisation auf dem Sopransaxophon erinnerte sie an das frühe Leben von Pessoa, der schon mit sieben Jahren begann, erste Gedichte zu schreiben. Die auf einem Fado basierende Melodie über die Sehnsucht, eine verlorene nicht gefundene Liebe und das Leiden sollten an das schwierige Leben des Schriftstellers erinnern, der nur 47 Jahre alt wurde.
Die Berlinerin Franziska Schroeder studierte Musikwissenschaft, Performance und Saxofon in Australien, promovierte 2006 und arbeitet heute als Dozentin am Sonic Arts Research Centre der Queen’s University Belfast. Dort unterrichtet sie in den Fächern Improvisation Performance, Theorie und Klangkunst, verfasste zahlreiche Bücher, spielte CDs ein und tourt seit 2005 mit internationalen Musikern der Avantgarde aus Jazz und Neuer Musik. Moderiert von Schroeder spielten die beiden abwechselnd kurze, intensive Improvisationen, die von Pessoa-Zitaten grundiert wurden, die per Power-Point-Präsentation hinter den Musizierenden an die Wand geworfen wurden.
Der portugiesische Dichter war eine sehr schillernde Persönlichkeit, der unter mehr als 70 Pseudonymen Texte veröffentlichte und sich immer wieder auch selbst unter anderen Namen kritisierte. Die meisten Werke verfasste er unter drei Heteronymen, unter Sub- und Semi-Heteronymen, wie er die Pseudonyme nannte. Er sah sich in Anlehnung an Friedrich Nietzsche als Vielheit und sein bekanntestes Werk, das „Buch der Unruhe“ blieb unvollendet; er nannte es das Buch seiner Feigheit. Vom „traurigsten Buch der Welt“, sprach Franziska Schroeder.
„Anfänge und Ende“ war eine Duo-Improvisation betitelt, „eine Improvisation ohne Ende und Anfang, aber mit einem Drang zum Ende aus Feigheit“, wie Schroeder das Stück einleitete. Mit Fragmenten zum Ende wähnte man sich auch im Geiste des ehemaligen Hausherrn des Ortes, dem 2002 verstorbenen Bassisten Peter Kowald.
Christoph Irmer machte im Gespräch nach dem einleitenden Performanceteil deutlich, dass es ihm bei der neuen Veranstaltungsreihe darum geht, über die Art zu improvisieren zu reflektieren, es soll nicht darum gehen, die Musik zu „erklären“, sondern „im Zusammenhang mit der Performance Aspekte der improvisierten Musik kritisch zu beleuchten und zu diskutieren“, erläuterte Christoph Irmer die Intention der Reihe. „Für die Zuhörenden ist das eine Gelegenheit, ein tieferes Verständnis des zuvor Gehörten zu gewinnen.“
Nach einer lebhaften Diskussion mit dem Publikum entließen die beiden Akteure das Publikum mit einer virtuosen Duoimprovisation in den sonnigen Sonntagnachmittag. Man darf auf die weiteren Veranstaltungen der Matinée-Konzertreihe sehr gespannt sein.