Interview „Für Ratsmehrheiten sind in Zukunft Dreier-Konstellationen erforderlich“

Wuppertal · Im Interview spricht der Oberbürgermeisterkandidat Bernhard Sander über seine Ziele als Stadtchef.

 Bernhard Sander (Linke) stellt sich zur Wahl als Oberbürgermeister.

Bernhard Sander (Linke) stellt sich zur Wahl als Oberbürgermeister.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Herr Sander, wie ist aus Ihrer Sicht der bisherige Wahlkampf gelaufen?

Bernhard Sander: Ich bin zufrieden, wir haben viele Gespräche an den Ständen, und auch der digitale Wahlkampf läuft gut. Da bekomme ich gute Resonanz, auch von Menschen, die eigentlich nicht zu unserem Milieu gehören.

Fühlen Sie sich fair behandelt, was die Medienpräsenz angeht?

Sander: Ich habe es mir abgewöhnt, Kritik an den Medien zu üben. Im Großen und Ganzen läuft das ganz gut. Es gibt Interessenschwerpunkte, bei denen die Linke nicht so zum Mainstream gehört. Das kritisiere ich dann auch, aber ändern kann ich es nicht.

Was Ihre Plakate angeht, gehören Sie thematisch zum Mainstream. Von der Anmutung ist die Linke gar nicht mehr so links, oder?

Sander: Doch. Wir sind deutlich und klar links. Ich glaube, das macht auch einen Teil der Glaubwürdigkeit bei unseren Wählerinnen und Wählern aus. Denn von den Positionen, die wir vertreten, können wir auf andere Einfluss nehmen.

Das hat in den vergangenen Jahren im Stadtrat nicht immer geklappt. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass dort ideologische Gräben gezogen worden sind. Das gilt auch für die Linken, oder?

Sander: Das gilt vor allem für die Zeit der sogenannten großen Kooperation zwischen SPD und CDU. Da war es schwierig dazwischenzukommen. Seit diese GroKo nicht mehr besteht, haben wir die Möglichkeit, entsprechend unserer Sachposition Politik mitzugestalten. Wir haben die Baumschutzsatzung mitgetragen, und der Abschied von der Forensik auf der Kleinen Höhe ist durch uns möglich geworden.

Wenn es am 13. September schlecht läuft, wird es im Stadtrat ein sehr buntes Potpourri an Parteien geben – auch mit solchen aus dem rechten Spektrum. Was bedeutet das für die Ratsarbeit?

Sander: Wir werden weiterhin versuchen, für unsere Sachpositionen Mehrheiten zu gewinnen. Wir werden uns der Zusammenarbeit mit anderen nicht verschließen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im jetzt auslaufenden Rat eine rot-rot-grüne Mehrheit hatten, die SPD aber mit uns nicht gesprochen hat, auch nicht, als wir mit einem aktiven Votum dafür gesorgt haben, dass der Amtsinhaber abgewählt wurde. Stattdessen wurde Andreas Mucke ins Amt gewählt. Auch danach hat es keine Gespräche mit der SPD gegeben, insofern ist das Problem nicht bei uns zu suchen. Ich gehe davon aus, dass wir Dreier-Konstellationen brauchen werden. Ich glaube nicht, dass es so etwas wie eine Große Kooperation geben wird, weil die Zerfallserscheinungen bei der CDU sehr massiv sind. Da muss man abwarten, wo man haushaltstragende Mehrheiten bekommt.

Sehen Sie denn die Möglichkeit, dass es etwa bei der SPD Veränderungen in Ihre Richtung geben könnte?

Sander: Man wird sehen, wer im Rat sitzt und welche Sachfragen anstehen. Ich bin Demokrat genug, um zu respektieren, dass Parteien ihre Listen so zusammenstellen, wie sie das für richtig halten.

Sie sind dafür, dass bei Neubauprojekten 40 Prozent sozialer Wohnbau festgeschrieben wird. An welcher Stelle soll sich ein Invest in den Wohnungsbau noch lohnen?

Sander: Das müssen die Investoren entscheiden, wo es rentabel ist. Am Heubruch haben die Investoren von sich aus eine Quote von 20 Prozent angeboten. Warum sollte es nicht möglich sein, durch Verhandlungen eine höhere Quote zu erzielen?

Weil die Gewinnmarge kleiner wird?

Sander: Das ist richtig, aber das liegt in der Macht des Investors zu entscheiden, womit er zufrieden ist. Wir haben Flächen, deren Entwicklung sich lohnt – zum Beispiel an der Hofaue, wo sich Geschosswohnbau für Studenten und Senioren anbietet. Also kleine Wohneinheiten, die Mangelware in Wuppertal sind. Im Übrigen haben wir die Möglichkeit, 11 000 mögliche Wohneinheiten im Rahmen der Innenstadtentwicklung zu schaffen.

Innenraumverdichtung fordern viele Parteien. Ist das denn linke Politik oder ist da mehr zu erwarten?

Sander: Linke Politik ist erstmal soziale Politik. Das bedeutet auch, Wohnraum zu schaffen. Ich halte die Forderung nach sozialem Wohnraum durchaus für sinnvoll. Wir haben aber auch andere Themen wie eine bessere Aufenthaltsqualität in den Innenstädten. Wir brauchen eine Innenstadt, die gut erreichbar ist, aber nicht so autodominiert. Wir brauchen eine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Idee wäre es, Gepäckservice nicht nur zum Weihnachtsgeschäft anzubieten. Wir brauchen mehr Grün und etwas so Banales wie mehr öffentliche Toiletten.

Etwas weniger Banales ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger und Arbeitslosen in Wuppertal. Wie wollen Sie die senken?

Sander: Zuletzt ist die Zahl der Sozialversicherungspflichtigen gestiegen. Aber das sind Arbeitsstellen, die atypisch sind durch Befristungen oder verkürzte Stundenzahl. In Folge der Konjunkturkrise wird sich zeigen, dass solche Stellen als erstes wegfallen. Wir müssen Betriebe ansiedeln, die in der Lage sind, gute Arbeitsplätze zu schaffen. Das Technologiezentrum könnte man etwa in die Bundesbahndirektion verlegen, das würde auch die Innenstadt beleben. Wir müssen aber auch den zweiten Arbeitsmarkt ausbauen. Das bisherige Programm ist zu knapp bemessen. Wir müssen schauen, dass die Leute, die heute in Kurzarbeit sind, weiterqualifiziert werden. Das ist nötig für den Strukturwandel, den wir erleben werden. Darüber hinaus muss man bei der Flächenpolitik darauf achten, dass der Boden ein knappes Gut ist. Wir sollten also alte Brachen recyceln und städtische Flächen nicht verscherbeln, sondern über Erbpacht zur Verfügung stellen, damit sie nach einer gewissen Zeit wieder in den Kreislauf zurückkommen können.

Für vieles von dem, was Sie vorschlagen, sind Bundes- und Landesmittel notwendig, für anderes Eigenmittel. Allerdings sind die städtischen Eigenmittel, die zur freien Verfügung stehen, mit 70 Millionen Euro eher gering.

Sander: Von diesen Mitteln werden viele Sozialprojekte finanziert. Das reicht aber nicht. Deshalb fordern wir einen Altschuldenfonds. Wir müssen aber auch schauen, dass wir die Fördermittel, die zur Verfügung stehen, am Ende bekommen. Der Bund stellt 41 Milliarden für den Kohleausstieg bereit. Wir haben mit den WSW eine Beteiligung am Kohlekraftwerk Wilhelmshaven. Ich habe gelesen, dass Wilhelmshaven 153 Millionen Euro für die Stilllegung zweier Kohlekraftwerke erhält. Ich stelle mir die Frage, was Andreas Mucke und die WSW getan haben, um möglicherweise davon einen Anteil zu bekommen.

Das ist ein Beispiel dafür, was Sie anders machen würden als der bisherige Amtsinhaber. Was würden Sie sonst verändern?

Sander: Vermutlich ist mein Politikstil konfrontativer. Ich scheue das offene Wort nicht. Ich glaube, dass wir als Linke beispielsweise mehr Geld in die sozialen Systeme packen müssen. Das sogenannte Bündnis gegen Armut, das Andreas Mucke geschmiedet hat, stößt durchaus auf Kritik. Die Leute, die sich damit befassen, sagen, das Ehrenamt sei ausgereizt. Hier braucht es Geld. Da muss man sich mit den freien Trägern darüber verständigen, was zuerst gemacht werden muss. Das würde ich nicht anhand des Parteiprogramms entscheiden. Wir brauchen darüber einen breiten Dialog in der Stadtgesellschaft.

Wie stehen Sie zu den Themen Umweltspur, Pina Bausch Zentrum und Bundesgartenschau?

Sander: Ich bin für die Umweltspur als Einstieg in eine Verkehrswende. Denn wir brauchen ein Radwegenetz, sichere Fußwege und einen gut ausgebauten ÖPNV. Das Pina Bausch Zentrum ist eines der großen Leuchttürme, mit denen wir strahlen können. Es entsteht zudem in einem denkmalgeschützten Gebäude, das auf diese Weise gut weitergenutzt werden kann. Wir haben uns bereits gegen die Buga ausgesprochen, weil sie konzeptionelle Mängel hat. Die Wege sind für das Zielpublikum zu weit, es werden Agrarflächen zu Parkflächen gemacht. Und wenn es rentabel wäre, eine Seilbahn vom Zoo zu den Höhen zu bauen, wäre sicher schon früher ein Investor auf die Idee gekommen, das anzubieten. Ich glaube auch nicht, dass man mit einer Bundesgartenschau Geld verdienen kann, so dass man zumindest die Investition am Ende wieder rausbekommen könnte.