Offen gesagt Hinter den Zahlen
Wuppertal · Kein unerwarteter Schlag ins Kontor, vielmehr ein Finanzdebakel mit Ansage hat die Stadt Wuppertal nun ereilt. Fast 100 Millionen Euro weniger an Einnahmen musste Kämmerer Thorsten Bunte jetzt verkünden.
Der Doppelhaushalt 2024/2025 war ohnehin schon auf Kante genäht, wie Bunte unserer Zeitung zuletzt noch gesagt hat. Er formulierte es aber vornehmer und sprach von erschwerten Bedingungen. Wegfall der haushaltstechnischen Erleichterungen im Zuge der Corona-Krise, allgemeine Kostensteigerung und Inflation, und der große Block „Soziales“ waren hier zu nennen. Alle wussten, dass sich der Etat noch verschlechtern könnte. Die Hoffnung, dass das ohnehin bestehende Defizit stabil bleibt, starb denn auch zuletzt.
Mit der Hiobsbotschaft aus der Kämmerei steht Wuppertal nicht alleine da, denn auch andere Kommunen hat es hart erwischt. Aber wem hilft das weiter? Nun müssen Verwaltung und Politik die Köpfe rauchen lassen: Was kann die Stadt sich noch leisten? Was muss vielleicht im Umfang reduziert werden, damit es doch noch realisiert werden kann? Und was fällt unweigerlich dem Rotstift zum Opfer? Es gibt Zeitgenossen, die muss man da nicht lange fragen: Das Haushaltsdefizit wird sie anspornen, ihr bekanntes Mantra zu singen: „Wir können uns die Buga nicht leisten.“ Die Bundesgartenschau, die 2031 in Wuppertal stattfinden soll, ist ihnen weiterhin ein Dorn im Auge. Er lässt sie nicht sehen, was andere sich von der prestigereichen Veranstaltung erwarten: nämlich viele über das Jahr 2031 weit hinausreichende positive Effekte, wie sie beispielsweise aus Mannheim und Koblenz berichtet werden. Dort wurden mittels Buga ganz neue, stadtbildprägende und wirtschaftsförderliche Entwicklungen angestoßen. Kann Wuppertal auf so etwas verzichten? Die Förderungen dafür in den Wind schlagen, weil man fürchtet, über den finanziellen Eigenanteil, den die Stadt dazu leisten muss, weiter ins Defizit zu rutschen?
Auch ein weiteres großes Zukunftsprojekt wird nicht nur mancher Stadtverordnete vor seinem geistigen Auge schon auf den Prüfstein gestellt haben. Mit der Beauftragung eines New Yorker Büros zur Planung des Pina Bausch Zentrums wollen die Befürworter das Erbe der Künstlerin entsprechend würdigen und zum weltweiten Aushängeschild für die Wuppermetropole machen. Einige Kritiker sprechen davon, dass hierbei zu sehr „auf dicke Hose gemacht“ und zu viel Geld für eine Klientel ausgegeben wird, der es egal sei, wenn die Stadt von Schulden gedrückt wird.
Man muss also kein Buchhalter sein, um zu sehen: Hinter den abstrakten Fachbegriffen und Zahlen des Haushalts stehen konkrete Projekte, die einer Stadt ihr individuelles Gesicht verleihen – mal ganz abgesehen von Grundsätzlichem wie ÖPNV und Straßenbau. Rat und Verwaltung haben es deshalb mit kniffligen Aufgabenstellungen zu tun. Dennoch muss die – zugegeben pathetische – Frage erlaubt sein: Darf man jetzt keinerlei Visionen mehr in Wuppertal hegen? Wo doch viele ohnehin schon angesichts von Abstiegsängsten und üblen Klimaprognosen nicht sonderlich fröhlich in die Zukunft blicken? Vor noch mehr Schwarzmalerei sollte sich die Politik also hüten.