Postillon Meldungen wie aus dem wahren Leben
Die Satire-Show „Der Postillon“ präsentierte in der Börse skurrile Neuigkeiten, die nur knapp neben der Wahrheit lagen.
Anne Rothäuser und Thieß Neubert sind Medienprofis durch und durch. Mögen die von ihnen verlesenen Meldungen auch noch so sensationell klingen, am professionellen Tonfall, der klaren Aussprache und der kritisch-distanzierten Haltung ändert sich nichts oder zumindest wenig. Da hätte sogar ein Hanns Joachim Friedrichs seine wahre Freude gehabt, stammt von ihm doch die Aussage, wonach sich ein Journalist nie mit einer Sache gemein machen darf – auch dann nicht, wenn sie eine gute ist.
Und so präsentieren Rothäuser und Neubert als Front-Duo der Satire-Show „Der Postillon“ am Freitagabend in der „Börse“ ein Potpourri bunter Schlagzeilen, Meldungen und Videoformate, die wie aus dem wahren Leben gefallen scheinen, durch die Bank aber erdacht, skurril und bisweilen auch zynisch zugespitzt sind. In einer Zeit, in der ein US-amerikanischer Präsident mehr „fake news“ als faktenbasierte Sachverhalte präsentiert und seine Politik nach eigener Weltsicht ausrichtet, muss sich der geneigte Zuschauer mitunter zweimal überlegen, ob das Vermeldete tatsächlich noch Satire oder möglicherweise schon traurige Wahrheit ist.
Damit trifft das satirische Duo offenbar den Geschmack des Publikums: Der Auftritt in der „Börse“ ist mit 230 Besuchern ausverkauft. Und weil Schlagzeilen wie das Salz in der Suppe wirken, wird gleich zu Beginn und auch während des Auftritts immer wieder der Newsticker angeschmissen. Eine Auswahl: „Spätsünder: Priester vergeht sich erst mit 70 an Ministranten“, „Verständlich: Til Schweiger bekommt nach Besuch beim Logopäden wieder mehr Rollen“ oder „Hat sich versprochen: Mann macht versehentlich Heiratsantrag“.
Wobei die Schlagzeilen nur der Appetizer für die dann folgenden Nachrichten und Recherchen mit selbstredend tiefgründigem Anspruch sind. Da spielen sich Rothäuser und Neubert die Bälle rhetorisch wechselseitig zu: Er steht links an einem Pult, sie rechts an einem zweiten, dazwischen eine große Leinwand, auf die Schlagzeilen, Bilder und Videos projiziert werden. Kein Eisen ist zu heiß, um die Finger davon zu lassen, kein Thema zu anspruchsvoll, um sich auf die Fährte zu setzen.
Niedliche Tierbabys
auf Flüchtlingsbooten
Wahrlich erschütternde Bilder werden da zum Beispiel von einer Lübecker Klinik gezeigt, in der eine junge Mutter offenbar nach der Geburt ihres Kindes vertauscht wurde. Dass sie nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus auf einmal einen holländischen Akzent hatte, kam dem Ehemann schon komisch vor, aber wer ahnt denn auch so was. Auch die vermutlich recht exklusive Information zu einer neuen Standortbestimmung des Kölner Doms wird in einem Video aufgegriffen. Darin berichtet der aufgebachte Domprobst, dass das berühmte gotische Bauwerk aus der Verankerung gehoben und um 360 Grad gedreht wurde. Und was vielleicht noch schlimmer ist: Es sind keinen Spuren von der Tat mehr festzustellen.
Weitere Nachrichten des Abends befassen sich unter anderem mit der Überlegung, süße Tierbabys auf Flüchtlingsboote zu setzen, damit die Öffentlichkeit beim Sinken der Boote Mitleid empfindet (tote Menschen allein reichen offenbar nicht aus), dem Bau einer Autobahn (A null), die auf 400 Kilometer Länge exklusiv für Baustellen und –fahrzeuge reserviert ist, oder einer Seniorenklappe in Köln, wo Oma und Opa von den Verwandten sicher abgegeben werden können.
So hält das „Postillon“-Duo die Spannung im Publikum hoch. Und wenn es nötig ist, machen sich die Moderatoren auch selbst an die Recherche. Da wird etwa Thieß Neubert aktiv, der auf Anfrage eines Mannes aus Düsseldorf über einen Kumpel recherchiert, der mit einem T-Shirt herumläuft, auf dem der Name eines Surf-Clubs aus Miami (Florida, USA) steht, den es erstens nicht gibt und den der Kollege zweitens nie besucht hat. Von dem „Postillon“-Journalisten vor laufender Kamera zur Rede gestellt, gesteht der Träger unumwunden, dass er T-Shirts mit beliebigen Aufdrucken einfach nur deshalb anzieht, weil sie ihm gefallen. Das schockt den Freund bis ins Mark („Was für ein Psychopath!“). Psychische Betreuung braucht nun aber angesichts dieses Vertrauensbruches vor allem der Auftraggeber selbst.