Offen gesagt Sandkastengezänk

Der Große Sitzungssaal des Rathauses ist vermutlich Wuppertals größter Sandkasten. Auf keinem anderen Spielplatz zwischen Nord- und Südhöhen, zwischen Vohwinkel und Beyenburg gibt es so viel Missgunst, so viele beleidigte Leberwürste wie in dem altehrwürdigen Gebäude am Johannes-Rau-Platz.

Wuppertal

Foto: yes/Schwartz, Anna (as)

Wer sich einmal davon überzeugen will, dem sei die Sitzung des Stadtrates am 20. Mai empfohlen. Darin wird es aller Voraussicht nach auch um die Frage gehen, ob die Stadt Wuppertal eine Gesellschaft für Stadtentwicklung gründen soll. Diese Frage hat mehrere Facetten, mit richtiger Politik hat davon allerdings keine zu tun.

Zunächst einmal ist interessant, wer den Antrag unterschrieben hat, mit dem sich die 67 Damen und Herrn des Rates befassen sollen. Neben Klaus Jürgen Reese, dem Kapitän von 18-SPD-Matrosen, ist das Gunhild Böth, das gute Gewissen des Bergischen Sozialismus. Soweit so berechenbar. SPD und Linke, das passt zuweilen zusammen. Aber Alexander Schmidt? Die lautstarke Stimme des freien Spiels der Kräfte? Der Parade-Liberale unter Wuppertals Lindner-Jüngern? Wie kommt dessen Name neben den von Gunhild Böth?

Die Antwortet lautet: Sandkasten. Du hast mir das Förmchen kaputt gemacht, jetzt verbiege ich deine Schaufel. Politik ist das nicht, mehr die Fortsetzung von gegenseitigem Anschweigen mit anderen Mitteln.

Denn in der anderen Hälfte des Sandes wühlen Grüne und CDU. Sie haben sich zusammengetan, um möglichst bald einen neuen Beigeordneten im Rathaus zu installieren. Er soll sich um Wirtschaftsförderung kümmern und auch um Stadtentwicklung. Das ist insofern eine gute Idee, als beides an vielen Stellen miteinander verknüpft ist. Wo diese Disziplinen nicht im Einklang bearbeitet werden, entsteht Stillstand. In Wuppertal zum Beispiel.

Das Rathaus verfügt derzeit über fünf Beigeordnete, die sich in der Hauptsache um Finanzen, Soziales und Schulen, Verkehr, Umwelt und Stadtentwicklung sowie um Ordnung, Sicherheit, Kultur und Sport kümmern. Um Wirtschaft kümmert sich niemand. Das ist auch an allen Zahlen ablesbar, die für konstruktive Wirtschaftspolitik sprechen. In fast allen relevanten Statistiken gehört Wuppertal zu den Schlusslichtern unter Deutschlands 20 größten Städten. Dagegen soll ein Wirtschaftsdezernent helfen, der sich auch um Stadtentwicklung und Arbeitsmarkt-Fragen kümmert. So will es die CDU, angeführt von den Grünen. Und deshalb wollen die anderen es nicht.

Mit städtischen Tochtergesellschaften hat Wuppertal in den vergangenen Jahren reichlich Erfahrung gesammelt. Gute waren allerdings kaum darunter. Gerade erst ist die Wohnungsbaugesellschaft unter Ächzen, Heulen und Zähneknirschen mit Ach und Krach und vielen Millionen gerettet worden, scheint jetzt aber zu funktionieren. Das lässt sich von der teils städtischen, teils privaten Stadtmarketing-Gesellschaft so beim besten Willen nicht sagen. Hier trägt die Stadt den Löwenanteil der Kosten, hat am wenigsten zu sagen und überhaupt keinen Gewinn. Im Gegenteil, die Gesellschaft musste gerade erst mit zusätzlichen 250 000 Euro künstlich beatmet werden, aus den notorisch leeren Kassen der Stadt, versteht sich. Wirtschaftsförderung wird in Wuppertal ebenfalls von einer Gesellschaft betrieben. Erfolg: siehe oben. Aber jährliche Reisen vertiefen wenigstens die Expertise im Genuss von Peking-Enten, sagen Kritiker sicher ein wenig zu böse.

Kinder im Sandkasten lernen aus Niederlagen. Irgendwann vertragen sie sich wieder und stellen fest, dass Förmchen und Schippchen zusammenarbeiten müssen, wenn Sandküchlein entstehen sollen. Im Stadtrat ist das anders. Hier geht es ums Prinzip, hier geht es um Gunst und Missgunst. Vernunft und Logik stehen viel zu selten auf der Tagesordnung. Wozu das führt, erlebt die wachsende Stadt Wuppertal im wachsenden Bedarf an Sozialleistungen. Nun steht gerade die Linke nicht im Verdacht, sinnvolle Wirtschaftsförderung im Parteiprogramm zu haben. Und auch die SPD entdeckt in Teilen dieser Tage den Brachialsozialismus wieder.

Dass aber die FDP nicht zu verstehen scheint, dass Wirtschaft und Stadtentwicklung keine Feinde sind, sondern einander bedingen, das ist eine Erkenntnis, die Hans-Dietrich Genscher im Grabe rotieren lässt. Mit der Unterzeichnung dieses Antrages haben Wuppertals Liberale konstruktive politische Arbeit endgültig eingestellt.