Schauspielerin Julia Wolff steht nach schwerem Unfall wieder auf der Bühne

Sie ist eine Frau und sie glaubt an Schutzengel. Seit bald zwei Jahren kämpft sich Julia Wolff in ihr Leben zurück, nachdem sie bei einem Sportunfall im Urlaub im Sommer 2016 schwer verunglückt war.

Foto: Stefan Fries

Mittlerweile meistert die bekannte Schauspielerin ihren Alltag weitgehend selbstständig, steht als Amanda Wingfield in Tennessee Williams’ „Die Glasmenagerie“ am 16. Juni wieder in einer Hauptrolle auf der Bühne im Theater am Engelsgarten. „Eine Paraderolle“, freut sich die gerade 50 gewordene Mutter eines achtjährigen Sohnes über diesen wichtigen Schritt. „Ich habe noch viel vor“, sagt sie mit einem Lächeln.

Julia Wolff über ihren Unfall

Diesen Tag wird die geborene Münchenerin in ihrem Leben nicht mehr vergessen. Es war der 11. August: Julia Wolff, Sohn Henry, Freundin Claudia und deren Sohn David weilten schon einige Tage auf Fuerteventura. Die durchaus sportliche Frau ließ sich zu einem Schnupperkurs im Kitesurfen überreden, obwohl „ich eigentlich kein Freund von Abenteuersport bin“. Auch ihr Sohn war von der Idee nicht angetan. Noch heute ärgert sie sich manchmal, dass sie seinen und ihren Bedenken nicht folgte. Über Schuld denkt sie dagegen weniger nach.

Der Kurs fand bei starkem Wind statt, begann mit Theorie und für Wolff der schwierigen Suche nach einem Ersatz für ihren defekten Schirm. Schon der Probelauf zusammen mit dem Lehrer verlief chaotisch, „obwohl er mich festhielt, riss es uns über den Sand“. Trotzdem habe er sie aufgefordert, es allein zu versuchen. „Während ich noch überlegte, was ich tun sollte, wirbelte mich der Wind hoch, ich knallte bäuchlings wie ein Käfer auf den Boden, es knackte laut“, erinnert sie sich. „Es war völlig unspektakulär, ich war ganz ruhig, merkte sofort, dass ich mich nicht bewegen konnte.“

Nach zwei Operationen und künstlichem Koma, um den beschädigten Rücken zu strecken, kehrte sie mit der Aussicht auf lebenslange Bettlägerigkeit und Fremdbeatmung nach Deutschland zurück. Fand in der Bochumer Uniklinik fachmännischen Rat, der meinte, „dass da doch noch was zu machen war“: Mit Hilfe der Physiotherapeuten und von Roboter Hal (Hybrid Assistive Limb), der später durch Unterarmrollatoren ersetzt wurde, lernte sie wieder zu gehen. „Ich hatte große Angst zu fallen, vor allem weil mir leicht schwindelig wurde.“

Die Reha im Dezember in Bonn trat sie mit dem erklärten Willen an, mit dem Stock gehen zu lernen. Weniger erfolgreich verlief die Gesundung des rechten Armes, der, wie auch der rechte Fuß, in der Bewegung eingeschränkt blieb. Außerdem machen Wolff Spastiken zu schaffen. „Ich stehe unter einer extremen Spannung, habe einen viel zu starken Muskeltonus.“ Bis heute arbeitet sie mit schulmedizinischen wie alternativen Heilmethoden an ihrer Beweglichkeit, träumt manchmal davon, so wie früher durch den Wald joggen zu können.

Julia Wolff hat ein gutes Körperbewusstsein und mentale Stärke — die sie auch braucht. So stand sie durch Unkenntnis zwischenzeitlich ohne Krankenversicherung da, ist das Verfahren gegen Kite-Firma und -Lehrer nicht entschieden. Neben der Schuldübernahme geht es hier noch um 31 000 Euro für die Rückführung, die bislang Wolffs Vater gezahlt hat. Mittlerweile hat Julia Wolff die Anerkennung der Pflegestufe 2 und der 80-prozentigen Schwerbehinderung auf zwei Jahre erreicht. Einen festen Job hat die ehedem 25 Jahre fest angestellte Schauspielerin (darunter zehn Jahre in Wuppertal) nicht. Sie lebt von einem mehrstündigen Lehrauftrag an der Uni Essen, Yogastunden, vielen Lesungen, Hörspielaufnahmen, Schauspiel-Engagements. Nach zwei Stücken in der aktuellen Spielzeit („Räuber Hotzenplotz“ und „Die Glasmenagerie“) sollen zwei weitere 2018/2019 folgen. „Thomas Braus (Intendant des Wuppertaler Schauspiels, Red.) ist für mich eine unglaubliche Stütze“, betont sie und probt mit Feuereifer ihre Rolle, verrät, dass ihre eigene Behinderung im Stück stellvertretend von der Tochter ausgelebt wird.

Und der zurückgewonnene Alltag? Die alleinerziehende Mutter kauft mit Rucksack auf dem Rücken, statt Tasche in der Hand ein, fährt Dreirad und macht gerade den Führerschein für ein spezielles Auto. Bleibt die gewachsene Ängstlichkeit, die sie vor allem auf den Sohn überträgt, dem sie den Rat gegeben hat: „Wenn du etwas nicht machen willst, dann lass es.“