Kirche Elberfeld-West: Seit Corona hat sich die Zahl der Wuppertaler Taufen verdoppelt
Die evangelische Kirchengemeinde Elberfeld-West verzeichnet eine starke Nachfrage.
Auf dem Banner an der Sophienkirche waren sie prominent zu sehen: Die jungen Eltern Elias und Julia und ihre Söhne Leonel und Félix. Mit dem Foto, das sie bei der Taufe ihrer Kinder zeigt, geben sie ein Statement für die Kampagne der Gemeinde Elberfeld-West ab. „Der Zusammenhalt in der Kirche ist uns wichtig. Deshalb möchten wir, dass unsere Kinder durch diese christliche Gemeinschaft auf ihrem Lebensweg begleitet werden“, erklären sie.
Während andere bewusst aus der Kirche austreten, ermöglichen Elias und Julia ihren Söhnen den Eintritt mit dem Ritual der Taufe. Eine Ausnahmeerscheinung sind sie damit nicht. Im Gegenteil. Allen Kirchenaustritten zum Trotz erlebt die Gemeinde gerade ein starkes Interesse an der Taufe. Und macht sie deshalb zum Thema ihrer Kampagne „Ohne uns würde vieles fehlen“, mit der sie ein Jahr lang auf ihr Engagement für die Menschen im Stadtteil aufmerksam macht.
Eltern machen sich Sorgen
um die Zukunft ihrer Kinder
„In den letzten beiden Jahren haben wir hier doppelt so viele Kinder getauft wie vor der Coronazeit“, berichtet Pfarrerin Isabell Berner-Paul. Diesen Boom entgegen dem Trend erklärt sich die Theologin einerseits mit nachgeholten Taufen, die während der Pandemie nicht stattfanden, und andererseits mit einem Neubaugebiet in ihrem Gemeindebezirk, in dem viele junge Familien wohnen. „Die Eltern machen sich angesichts der globalen und nationalen Krisen, die uns umgeben, Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder und wünschen sich für sie Gottes Schutz und Segen, möchten aber auch, dass sie Geborgenheit in einer christlichen Gemeinschaft erleben.“
Kirche als Schutzraum gegen Vereinzelung, als Ort, an dem Gott erfahrbar werden kann und Unterstützung in den Krisen des Lebens möglich ist: Bei aller durchaus berechtigten Kritik an der Institution Kirche erlebe sie auch das Bedürfnis der Menschen, in einer Gemeinde Heimat zu finden, sagt Isabell Berner-Paul. „Wer sich für die Taufe entscheidet, tut dies viel überlegter als früher. Das tolle Familienfest oder die Oma, die auf der Taufe ihrer Enkel besteht, sind für die allermeisten Familien kein Grund, ihre Kinder zur Taufe anzumelden.“
Weil Familientraditionen für eine Mitgliedschaft in der Kirche immer mehr an Bedeutung verlieren, hat auch die Evangelische Kirche im Rheinland auf ihrer Landessynode einige Veränderungen in ihrem Lebensordnungsgesetz beschlossen, das Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen regelt. Eltern, die ihre Kinder taufen lassen möchten, müssen nicht mehr Kirchenmitglied sein. Bisher wurde das zumindest von einem Elternteil erwartet. Allerdings soll die christliche Erziehung – etwa durch Paten oder andere Familienmitglieder wie die Großeltern – gewährleistet sein.
Wer Pate werden möchte, muss nun nicht mehr nachweisen, dass er oder sie konfirmiert ist. Dafür reicht die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche sowie die Religionsmündigkeit. Eine Regelung, die Isabell Berner-Paul etwas bedauert. „Ich habe hier einige Jugendliche erlebt, denen die Konfirmation wichtig war, weil sie gerne Pate werden wollten“, berichtet die Pfarrerin. „Diese Motivation entfällt nun.“ Umso wichtiger ist der Theologin, dass die Taufe als ein besonderes Fest für die ganze Gemeinde erlebt wird. „Früher war sie eher eine Nebenhandlung im Gottesdienst. Heute steht sie im Mittelpunkt, und ich predige über den Taufspruch.“ Meist tauft sie nicht nur ein Kind, sondern gleich mehrere.
Den Trend, große Tauffeste unter freiem Himmel zu feiern und die Menschen in Flüssen zu taufen, findet Isabell Berner-Paul „richtig cool“. Das würde sie gerne auch mal in Wuppertal erleben. „Mit unserem Sophienmobil sind wir ja regelmäßig außerhalb unserer Kirchmauern unterwegs und feiern Gottesdienste im Freien. Warum nicht auch Taufen?“ Das soll mit dem neuen Lebensordnungsgesetz nun ebenfalls unkomplizierter werden. Für Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen außerhalb der eigenen Ortsgemeinde ist keine kirchliche Ausnahmegenehmigung mehr notwendig.