Wuppertaler Auslese „Selbstverdammt“: Neuer Wuppertal-Krimi von Dirk Osygus spielt mit Wahrheit und Lüge

Wuppertal · Ein düsterer Rachefeldzug entfaltet sich im neuen Wuppertal-Krimi „Selbstverdammt“ von Dirk Osygus. Der zynische Hauptkommissar Frank Gerste ermittelt in einem brutalen Mordfall, der die Stadt in Atem hält.

Dirk Osygus präsentiert den dritten Teil seiner Regionalkrimi-Reihe.

Foto: Taro Kataoka

Aller bösen Dinge sind drei. Mit „Selbstverdammt“ legt der Wuppertaler Autor Dirk Osygus den dritten Teil seiner Regionalkrimi-Reihe vor. Hauptschauplätze sind ein Hotel am Döppersberg und eine Villa nahe des Toelleturms, auch die Ronsdorfer Talsperre, das Landgericht und ein Bordell in Solingen kommen vor.

Während sich die Handlung über weite Strecken als Krimikomödie gestaltet, woran der zynische, Sprüche klopfende und kaffeesüchtige Hauptkommissar Frank Gerste nicht ganz unschuldig ist, stellt sich das erste Kapitel als äußerst drastisch dar: Ein Mann schleppt einen Hotelbesitzer mitten in der Nacht in den Flur und schlachtet ihn in der Manier des Psychothrillers „Das Schweigen der Lämmer“ ab, bevor er untertaucht. Sein Grund: Rache. Vor Jahrzehnten wurde der Mörder auf der B7 zwischen Mettmann und Düsseldorf über den Haufen gefahren, der Fahrer flüchtete.

Nach Jahren im Koma und diversen Hypnosesitzungen erinnert er sich jedoch an das Autokennzeichen und macht den Besitzer ausfindig. Dass dieser auch im Rotlichtmilieu arbeitet, einen Staatsanwalt schmiert und Drogenhandel ebenfalls eine Rolle spielt, setzt zwar in Teilen ein kriminell plakatives Klischee um, doch der sogenannte „Inciting Incident“, der die Handlung in Gang setzt, gebiert sich aus nur vier Worten: „Ich war es nicht“, flüstert das Opfer, bevor ihm – an Seilen hängend und mit enormem Blutverlust – die Lichter ausgehen. Dabei spielt Osygus mit Wahrheiten, vor allem aber mit Lügen, und bringt den Leser immer wieder auf falsche Fährten, sodass die Überraschung zum Ende umso größer ist.

„Ich lese seit 30 Jahren Thriller und es gibt so viele Szenen, die schon beschrieben wurden, da denke ich mir etwas Neues aus“, erklärt Dirk Osygus seinen Ansatz. Und da der 56-Jährige nebenbei Jäger ist, „habe ich viel mit Messern, Blut und Waffen zu tun und das bringe ich gerne in den Büchern rüber.“ Seit 20 Jahren denke er darüber nach, wie er auf fiktive Weise Menschen töten könne „und wie ich sie danach fachmännisch entsorge, sodass ich möglichst nicht von der Polizei erwischt werde“.

Osygus ist eigentlich
Maschinenbaukonstrukteur

Sein Interesse, Bücher zu schreiben, kam hingegen sehr spät: „Es gibt viele Autoren, die sagen, dass sie schon schreiben, seit sie einen Stift halten können. Das war bei mir überhaupt nicht so.“ Osygus ist eigentlich Maschinenbaukonstrukteur. Während der Pandemie rief Thrillerexperte Sebastian Fitzek eine Anthologie mit Kurzgeschichten aus, für die man sich bewerben konnte. „Meine Geschichte gehörte leider nicht dazu, aber das war die Inspiration, da war die Lunte am Glimmen.“

Fortan wurde Wuppertal für Dirk Osygus zum Schauplatz seiner Krimireihe. Etwa zweieinhalb Monate braucht er für einen Roman. „Ich schreibe ungern den 127. Küstenkrimi, ob der nun auf Helgoland, Baltrum, Sylt oder sonst wo spielt“, betont er, „sondern am liebsten über das, was ich kenne. Ich möchte dafür nicht googeln müssen.“

Wuppertal habe einen zwiespältigen Charakter: „Ich habe bisher nur am Stadtrand gewohnt, wie auf den Südhöhen, und nie länger als fünf Minuten bis zum Wald gebraucht.“ Wuppertal verfüge über eine „wunderschöne Randbebauung, aber wenn man in die City geht, ist es grauenvoll – gerade durch die Nachkriegsbauten.“

Dennoch offenbart er seine Liebe zur Stadt auch in der Vermarktung seiner Bücher, las unter anderem in Buchhandlungen in Vohwinkel und in Ronsdorf. „Ich liebe Lesungen“, betont er. „Da sitze ich auch nicht, sondern laufe hin und her. Bei der letzten Lesung für meinen neuen Krimi habe ich sogar die Szene nachgespielt, wo dem Opfer der Bauch aufgeschnitten wird. Ich hoffe, die Zuhörer fanden das klasse.“ Schwierig scheint die Identifikation mit seinen Figuren nicht zu sein, zumal Hauptkommissar Frank Gerste „eine komplette Kopie“ von ihm sei: „Ich habe mich da selbst beschrieben, und ich bringe auch die chauvinistischen Sprüche, für die er bekannt ist.“

Sich jedoch eine Präsenz auf dem Buchmarkt zu erarbeiten, ist extrem mühsam, gerade für Einsteiger und diejenigen, die ihre Bücher im Selfpublishing, also ohne renommierten Verlag, herausbringen: „Wir haben in Deutschland ein kompliziertes Verfahren, um Bücher zu veröffentlichen. Es gibt ungefähr 2500 Verlage, die über die gesunkene Menge an Publikationen entscheiden. Wenn man nicht in dieses Raster passt, in diesen Mainstream, hat man Pech.“ Das Selfpublishing sei eine Möglichkeit, dem zu entgehen.

„In Wuppertal kann man meine Bücher tatsächlich in Buchhandlungen im Regal wiederfinden. Das ist als Selfpublisher nicht normal, weil es sehr viele Vorbehalte gibt.“ Mittlerweile gehört er zum Vorstand des Deutschen Selfpublisher-Verbandes. „Wenn jemand mein Buch kauft, kauft er es nicht zweimal. Also unterstütze ich gern andere Autoren, Sichtbarkeit zu erhalten. Auch ein Sebastian Fitzek würde kein Buch verkaufen, wenn er nicht sichtbar wäre.“ So habe Osygus zu Beginn seines Autorenlebens die Möglichkeit erhalten, auf der Buchmesse in Leipzig auszustellen. „Das ist ein unglaubliches Gefühl.“

Zudem ist er Teil des neugegründeten Bergischen Krimi-Kartells, einem Zusammenschluss von 19 Krimiautoren aus dem Bergischen Land. Erste Auftritte sind am 31. August und 1. September auf Schloss Lüntenbeck vorgesehen. Sein Alter Ego, Kommissar Gerste, wird auch dabei sein. Mit Zynismus, mit Präsenz – und sicher auch dem ein oder anderen Espresso.

Dirk Osygus. Selbstverdammt. Wuppertal-Krimi. tolino media, Juni 2024, Paperback, 312 S., 16,99 Euro.