Urban Gardening Selbstversorger im kleinen Maßstab

Im Sommer werden auch die Balkone und Terrassen in Wuppertal grün. Viele Leute züchten ihr eigenes Gemüse und Obst.

Urban Gardening: Selbstversorger im kleinen Maßstab
Foto: Gerhard Bartsch

Elberfeld/Barmen. Obst und Gemüse kommen vom meist weit entfernten Feld und dann aus dem Supermarktregal. Das muss aber nicht so sein. In Wuppertal gibt es ein reges Interesse an Urban Gardening, kleinen Gärten im Stadtraum. Kürzlich hat ein Urban Gardening Großprojekt 50 000 Euro aus dem Bürgerbudget gewinnen können.

Urban Gardening: Selbstversorger im kleinen Maßstab
Foto: Andreas Fischer

Seit 2011 werden Pflanzen in Kisten und Töpfen im Wandelgarten an der Luisenstraße gepflanzt, der ein Schaufenster für viele andere urbane Gärten in der Stadt ist.

Aber auch darüber hinaus ist Wuppertal grün - bis in die kleinstmöglichen Flächen. Denn auch auf Terrassen und Balkonen blühen Pflanzen, werden Gemüse und Obst gesät, gepflegt und geerntet. In Blumenkästen, Töpfen und Hochbeeten.

So etwa bei Jodie Wellershaus. Die 31 Jahre alte Diplombiologin hat auf dem kleinen Balkon so viel gepflanzt, wie möglich ist, damit man sich dort trotzdem noch bewegen und setzen kann. Sie und ihr Mann wohnen seit zwei Jahren in ihrer Wohnung und haben seitdem einen Balkon. Die Pflanzen seien nach und nach dazugekommen — also relativ schnell, wenn man sieht, was alles dort wächst. Eine Ecke ist mit Kräutern bepflanzt — Thymian, Rosmarin zum Kochen, Blutampfer für die täglichen Smoothies. In der anderen steht, was viele für Unkraut halten würden: Brennnessel. Wellershaus hat die Pflanze vergangenes Jahr aus dem Wald mitgebracht, sagt sie. Sei eben sehr gesund und passe ebenfalls gut in die Smoothies. Auf der gegenüberliegenden Seite des Balkons steht ein Regal mit Erdbeeren, Minze, Schnittlauch. Daneben Töpfe mit Tomaten und Chillis und ein Hochbeet mit Möhren, Radieschen, Kohlrabi. Klar könne man nicht viel ernten, aber Wellershaus mag das Gefühl „ein wenig Selbstversorger zu sein“. Es sei ein bisschen wie bei Oma früher, sagt Wellershaus, die habe immer viel aus dem Garten geerntet. Außerdem sammelt sie so Erfahrung für den Garten, den sie und ihr Mann einmal haben wollen.

Was Wellershaus und viele andere machen ist ein bisschen die Gegenbewegung zu den Steinwüsten. Wellershaus zeigt einen Teil der Gesellschaft, der bewusster auf Ernährung und deren Herkunft achtet, eben im Rahmen der Möglichkeiten, wenn man nur einen Balkon hat, und in Vollzeit beschäftigt ist. Und es macht eben Spaß, zu sehen, was da wächst und damit dann etwas Frisches zu kochen.

Das finden auch Menschen aus anderen Generationen - und zeigen, dass es über den Trend bei jungen Städten hinausgeht. So wie Ursula und Wolfgang Möltgen. An der kleinen, schmalen Terrasse der beiden wächst Wein an insgesamt 30 Meter langen Reben, darunter werden die ersten Tomaten gerade saftig rot. Wolfgang (74) kauft jedes Jahr fünf neue Pflanzen. Ursula (75) hat gegenüber noch zwei Kürbispflanzen in Töpfchen stehen. „Die hat so schöne gelbe Blüten“, und jetzt im dritten Jahr kämen da plötzlich auch diese „gelben Kugeln“, wie sie charmant untertreibt. „Wir machen das auch Jux und Dollerei“, sagt Ursula Möltgen. Trotzdem ernten die beiden jedes Jahr rund 300 Tomaten und machen mehr als 50 Gläser Gelee aus den Trauben. Für den hohlen Zahn ist das nicht. Dazu kämen zwei Pfund Kartoffeln aus dem Kompostbeet. „Wenn mein Enkel wieder eine darin versteckt hat“, sagt Wolfgang Möltgen mit der Gartenkelle in der Hand, „finden wir bestimmt wieder ein paar kleine Knollen“. Und er hat recht.

Auch bei Georgina Manfredi werden die Kinder mit eingebunden. Sie hat kleine Beete im gepflasterten Innenhof, seit sie 1987 in ihre Wohnung gezogen ist. Und zeigt die gerne den Kindern im Haus. Bei ihr gibt es Bohnen, Salat, Zwiebeln, kartoffen, „nicht kiloweise“, aber eben von allem etwas. Sie hat griechische Wurzeln, und in Griechenland sei alles begrünt. „Ich habe das im Blut.“ Außerdem sei es ihr wichtig, Pflanzen für die Bienen anzubieten und den Kindern zeigen zu können, dass das Gemüse nicht aus dem Supermarkt kommt.

„Das ist kein Trend“, sagt sie, „das hat für mich etwas mit Ökologie und Pädagogik zu tun.“ Für andere mit dem Wissen um naturbelassenes Essen oder mit dem Spaß daran, etwas wachsen zu sehen. Die Gründe sind vielfältig. Hauptsache, am Ende schmeckt es.