„WZ in Gefahr“ Eisbaden vs. Kältekammer bei minus 80 Grad – was ist schlimmer? Der Selbstversuch in Wuppertal

Wuppertal · Unsere Wuppertaler Redakteurin hasst Kälte – und trotzdem hat sie sich die ultimative Frost-Challenge ausgedacht. Welche Erfahrungen sie gemacht hat? Der Selbstversuch.

Ob ich irgendein schlechtes Karma loswerden müsse, fragte der Kollege, als ich von der „WZ in Gefahr“-Idee berichtete. Warum sonst sollte ich in eiskaltes Wasser hüpfen und mich dann in der Kältekammer minus 80 Grad Celsius aussetzen? Ein wenig masochistisch klingt das Ganze schon. Doch gleichzeitig weiß ich ja nun, wie der Körper mit dieser Kälte umgeht: Als das „WZ in Gefahr“-Team mich nach meinem Eisbad am Rande der Bevertalsperre in Empfang nahm, war ich diejenige, die vor Glückshormonen nur so geschüttelt wurde. Die anderen sahen derweil ziemlich durchgefroren aus.

Doch zurück zum Anfang: Ich hasse Kälte. Sobald das Thermometer weniger als zehn Grad anzeigt, kann ich ohne Wärmflasche nicht einschlafen. Und mir schoss es auch durch den Kopf: Feuer mit Feuer bekämpfen… Vielleicht lässt sich auch Kälte mit Kälte bekämpfen?

Die Antwort können wir vorwegnehmen: Ja, und Kälte kann aber noch viel mehr. Schon Johann Wolfgang von Goethe soll in das eisige Wasser der Ilm gestiegen sein, in vielen anderen Ländern ist Eisbaden ein Volkssport, der das Immunsystem stärken soll. Dabei muss das Wasser natürlich nicht (an-)gefroren sein. Vielleicht ist Winterbaden der bessere Begriff, denn sobald das Wasser ungefähr fünf Grad hat, ist es kalt genug.

An diesem Morgen, das lerne ich von Talsperrenmeister Marc Brüggendieck, hat das Wasser knapp sechs Grad. Und das, obwohl es schneit, obwohl die Temperaturen unter 0 liegen, obwohl die Wiesen, Bäume und Felder rund um die Bevertalsperre voller Eis sind. „Wenn es kalt ist, ist es erst einmal nur oberflächlich kalt.“ Das Wasser braucht eine Weile, um ebenfalls abzukühlen. In vielleicht zwei Wochen wird das Wasser so eisig sein, wie es die Luft im Moment schon ist.

Für mich sind die sechs Grad in der Bevertalsperre trotzdem Winterbaden. Das findet an diesem Morgen auch der Eis-Experte Christopher Jakoby, der die Ice Zone in der Friedrich-Ebert-Straße betreibt. Dort ist es allerdings noch kälter: Drei Minuten bei minus 80 Grad sollen schon helfen, das Hautbild zu verfeinern, Muskelkater vorzubeugen, Entzündungen zu lindern und sogar wohltuend bei Rheuma wirken. Jakoby erklärt, wie der Körper auf die Kälte reagiert. Er empfiehlt, noch bevor ich in das Wasser gehe: „Wärm dich etwas auf.“

Also stehe ich an der winterlichen Bevertalsperre und mache Hampelmänner, laufe den Weg hoch und runter. Und zur Vorbereitung rät Jakoby: „Denk daran, regelmäßig zu atmen. Bereite dich aufs Atmen im kalten Wasser vor.“ Ich aktiviere all meine Yoga-Kenntnisse, während ich mich langsam aus den Kleidungsschichten schäle. Es ist das erste Mal, dass ich mich mitten im Schneegestöber ausziehe. „Kälte ist nur im Kopf.“

Es ist ein wunderbares Gefühl, ich lache und kichere und freue mich

Langsam soll ich ins Wasser gehen. Für diejenigen, die mit dem Eisbaden beginnen, gilt: Am Anfang reicht es, 30 Sekunden im Wasser auszuhalten. Ich nehme mir, weil ich mich mit täglichen Kaltduschen schon gewappnet fühle, zwei Minuten vor – die Zeit läuft ab dem Moment, in dem mein dicker Zeh das Wasser berührt. Die Haare sollten allerdings nicht nass werden. Und weil über den Kopf so viel Wärme verloren geht, ist es gut, eine Mütze zu tragen. Nach dem Eisbad sollte man sich möglichst schnell aufwärmen, dicke Kleidung tragen und etwas Heißes trinken. Unter dem wachsamen Blick von Christopher Jakoby steige ich also ins Wasser. Denn Eisbaden sollte man nie allein für den Fall, dass doch der Kreislauf absackt.

Nach einem kurzen Schock finde ich es eigentlich ganz gut in dem klaren Wasser. Ich plansche da herum, Kälte-Experte Jakoby erinnert mich hin und wieder ans Atmen, das restliche Team nennt mich einen Frosch. Ich schaffe es auf zwei Minuten und fünf Sekunden. Dann reicht mir Jakoby ein Handtuch, ich komme vorsichtig aus dem Wasser – und bin am ganzen Körper knallrot. Das ist mir aber egal, denn irgendwie fühle ich meinen Körper kaum. Es ist ein wunderbares Gefühl, ich lache und kichere und freue mich.

Allerdings fällt mir das Anziehen ziemlich schwer: Vor allem die Füße spüre ich kaum, kann mich nur schlecht bewegen. Doch als ich es irgendwie geschafft habe, wird mir warm - und ich lache immer noch. „Die Gefäße an der Hautoberfläche verengen sich bei Kälte, aber die Kernwärme bleibt. Das Herz muss nicht mehr so viel arbeiten, weil die verengten Gefäße weniger Blut brauchen. Und du schüttest Glückshormone aus“, beschreibt Jakoby. Jetzt gerade wird mein Körper rot, weil die Durchblutung stärker wird. Vor lauter Endorphinen bin ich den ganzen Tag über noch ganz gut gelaunt. „Wer gesund ist, wird noch gesünder“, sagt der Kälte-Experte über das Winterbaden.

Aufpassen sollten aber diejenigen, die unter bestimmten Vorerkrankungen leiden, die zum Beispiel einen Schlaganfall hatten, Herzprobleme oder Diabetes haben. „In der Ice Zone erstellen wir auch einen Anamnese-Bogen“, erklärt Jakoby. Nach der Rückfahrt geht es noch in die Kältekammer. Wieder vor Publikum springe ich aus den Klamotten und schlüpfe in ein Paar Badelatschen – „damit du nicht am Boden festfrierst“: Auf die Ohren gibt es das Lied „Ice, Ice, Baby“, dann hüpfe ich in die minus 30 Grad kalte Vorkammer, um nach einer Minute in die zweite Kammer mit minus 80 Grad zu steigen. Dort bleibe ich für drei Minuten. In der Zeit gefriert sogar die Nase von innen, aber das 74 Grad wärmere Wasser der Talsperre ist in meiner Erinnerung deutlich eisiger. „Das liegt daran, dass die Kälte in der Ice Zone eine trockene Kälte ist. Das Wasser kommt näher an dich heran.“ Beide Erfahrungen habe ich nun gemacht, ich fühle mich schon fit. Erkältet habe ich mich bisher auch nicht.

Die Wärmflasche nehme ich trotzdem noch mit ins Bett, jeden Abend, bis es mehr als 10 Grad hat draußen. Aber ich weiß jetzt: Kälte ist nur im Kopf. Das hatte das frierende „WZ in Gefahr“-Team, das mich bis zum Ufer der Talsperre gebracht hat, bestimmt kurz vergessen. Ich meine mich zu erinnern, den einen oder die andere ganz schön zittern gesehen zu haben. Sie freuten sich aber alle sehr, als ich unbeschadet und lachend aus dem Wasser kam. Und bei dem Gedanken wird mir schon wieder ganz warm ums Herz.