Serap Güler: „Burkinis sind ein Angriff auf die Emanzipation“

Auf Einladung der Wuppertaler Frauenunion hat Serap Güler über Integration gesprochen. Sie ist Beauftragte der Landesregierung und selbst ein Kind von Migranten.

Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. Serap Güler hat es trotzdem geschafft. Die junge Frau, Tochter eines türkischen Ehepaares, ist in Deutschland integriert. Sehr sogar, so sehr, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die gläubige Muslimin zur Staatssekretärin für Integration gemacht hat. Die Gäste der Wuppertaler Frauenunion bewerteten das unüberhörbar als gute Wahl. Anders ist der langanhaltende Applaus nicht zu interpretieren, den die Besucher des Gesprächsabends dem Gast aus Köln am Mittwoch spendeten. „Mein Vater könnte so nicht mit Ihnen sprechen“, sagte Güler. Er sei 1963 als Arbeiter nach Deutschland gekommen.

Integrationsanstrengungen, geschweige denn Kursangebote gab es damals noch nicht. Die Gastarbeiter sollten auf Zeit in Deutschland sein, einen Arbeitskräfteengpass im Wirtschaftswunderland beseitigen und dann wieder nach Hause fahren. Soweit die Theorie. In der Praxis sind viele geblieben. Auch der Vater von Serap Güler. Richtig gekümmert hat sich niemand um ihn. „Und Hand aus Herz, wer von uns lernt nach zehn, zwölf Stunden harter Arbeit noch eine neue Sprache?“

So sind viele Migranten der ersten Generation Fremde in Deutschland geblieben. Den neu Zugewanderten will Güler dieses Schicksal ersparen. Deshalb wirbt sie um gesellschaftliches Miteinander, sie wirbt um Geduld und sie wirbt um Klarheit - auch gegenüber Migranten. „Fördern und fordern“, wiederholt die 37 Jahre alte Christdemokratin. Und sie meint, dass Integration auch eine Bringschuld ist. Deutschland könne erwarten, dass Zugewanderte sich in die Gesellschaft eingliedern wollen.

„Sprache, Bildung, Arbeit — ohne diese Faktoren funktioniert Integration nicht“, sagte Güler. Es gebe aber auch noch eine vierte Voraussetzung. „Ohne gemeinsame Wertebasis geht es nicht“, sagte die Staatssekretärin. „Sprache, Bildung, Arbeit, Werte — auf diesen vier Säulen wollen wir in NRW unsere Integrationspolitik aufbauen.“

Um das zu erreichen, will die schwarz-gelbe Landesregierung die Sprachstandserhebungen wieder aufnehmen. Sie waren von der rot-grünen Vorgängerregierung abgeschafft worden. Der damalige Test habe Schwächen gehabt, räumte Güler ein. „Aber dann müssten doch die Schwächen beseitigt werden, nicht der Test.“ Also sollen künftig wieder ausnahmslos alle vierjährigen Kinder auf ihre Sprachfertigkeit und ihren Wortschatz hin untersucht werden. „Dann haben wir noch zwei Jahre Zeit, Schwächen auszugleichen.“ Sprache und Bildung sind für Güler ein wichtiger Schlüssel.

Ihre Mutter sei 1978 nach Deutschland gekommen und habe Deutsch gelernt. „Sie hat mit mir Diktate geübt, indem sie mir vorlas und dann Buchstabe für Buchstabe verglich, was ich geschrieben habe.“ Wichtigste Helferin sei damals eine deutsche Nachbarin gewesen. Das und die Offenheit der Mutter für die Regeln in dem für sie fremden Land haben letztlich dazu geführt, dass Güler das Gymnasium besuchen konnte.

Vermutlich auch deshalb ist die Politikerin davon überzeugt, dass die verteidigungswürdige Religionsfreiheit nicht dazu führen darf, dass Migranten Gepflogenheiten und Regeln ignorieren. Für Güler stellt sich die Frage nach einem Kopftuchverbot in der Grundschule gar nicht. Der Islam sehe das Tragen bis zur Pubertät überhaupt nicht vor. Dass ein Herner Schulleiter für muslimische Mädchen 20 Burkinis angeschafft hat, bringt sie auf die Palme. Das sei nicht nur das Gegenteil von Integration: „Das ist auch ein Angriff auf die Emanzipation.“