Sie sprechen mit dem Körper — Worte brauchen sie fast nicht
Abschlussprojekt „tanz, tanz... wir“ des Tanztheaters Wuppertal bringt das Haus der Jugend in Barmen in Bewegung.
Die Jugend hat das Haus der Jugend in Barmen erobert — zumindest am Freitag. Bringt Bewegung in alle Ecken und Etagen des altehrwürdigen Gebäudes. Macht Lust auf mehr. Doch die Abschlusspräsentation von „tanz, tanz ... wir“, Teil der partizipativen Projektreihe „Feuer & Flamme“ des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch, bei der rund 350 Wuppertaler Kinder und Jugendliche unterschiedlichster kultureller Herkunft mitmachen, wurde gekürzt. Sie findet nur noch am Sonntag, mit einer Matinee eine Fortsetzung. Der Samstag fällt aus — einer Demonstration der Rechten wegen (siehe Seite 17).
„Eine Gleichzeitigkeit der Veranstaltungen fühlt sich nicht richtig an. So ist es die bestmögliche Lösung“, nimmt die Intendantin des Tanztheaters, Adolphe Binder, zur Programmänderung Stellung. „Ich verstehe zwar, wenn manche sagen: ,Jetzt erst recht’, aber nicht mit Kindern. Ich komme selbst aus einer Diktatur (Rumänien, Red.). Man weiß nie, welche Traumata geweckt werden können. Außerdem wollen wir ja auch, dass Publikum kommen kann.“ Am Freitag kam es zuhauf.
„Parcours for two“ im Foyer des Hauses ist der Renner. Der Andrang ist enorm, jeder will mitmachen. Zwei Auserkorene werden losgeschickt, nachdem das Glücksrad entschieden hat, mit welchen Körperteilen sie in Kontakt bleiben und kommunizieren müssen. Sprechen dürfen sie nicht. „Sie sprechen mit dem Körper, sind wie ein Körper“, erklärt Fabien Prioville, der aufpasst, dass die Kandidaten auf dem Weg über Stühle und durch Holzgerüste die Regeln einhalten. Nachdem das Fass gerollt und auch der klapprige Liegestuhl aufgebaut ist, gibt es Applaus, Jubel, schnellen die Finger für die nächste Runde hoch.
Je sieben Holzschuhformen, symbolischer Ersatz für Schuhe, stehen auf beiden Seiten der leeren Bühne im Saal im zweiten Stock. Zwei Türen im Hintergrund öffnen sich, nacheinander tasten sich sieben Jugendliche, drei Mädchen und vier Jungen, barfuß in den Raum vor. Beginn der atmosphärisch dichten Show „8 Planets of Euphoria“, die Jan Möllmer mit den jungen Leuten einstudiert hat. 20 eindrückliche Minuten mit raschen und schnellen Bewegungen, mit einsamen, introvertierten und verbindenden, synchronen Momenten. Spielerisch und ernst, leise und laut — auf jeden Fall beeindruckend.
Zuvor erzählt Jorge Puerta Armenta, der zusammen mit Ruth Amarante „tanz, tanz... wir“ leitet, in dem kurzen Film „Kein Körper, keine Seele“ des Medienprojekts Wuppertal, dass es für alle Menschen, besonders aber die, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, wichtig ist, sich ihrem Körper (wieder) zu nähern. Zu sehen sind junge Menschen, die auf dem Boden liegen, sich aufeinander zu bewegen, einander anschauen und umarmen. „Es geht nicht um Vergangenheit, nicht um Zukunft. Es geht um das, was wir jetzt und hier machen“, erklärt der Tänzer.
Gemacht wird an diesem Tag viel, zwischen Filmen, die die zehnmonatige Projektarbeit dokumentieren, durchgängigen Installationen wie dem Wasserkorridor und dem LichtraumLabor, im Zimmer der Erinnerungen, in dem die Besucher Geschichten aus der Kindheit zuhören können. Viele kleine und große Besucher steigen die Treppen hinauf und hinunter, schauen sich im obersten Stockwerk den Film an, der dort in Dauerschleife Schüler und Lehrer zeigt, die zu elektronischen Rhythmen tanzen — ganz individuell und mit viel Freude in Bewegung.
„Das ist schon eine Supersache, ich bin glücklich, dass es aufgegangen ist“, freut sich Adolphe Binder. Und nicht nur sie.