Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Adolphe Binder: "Die „Neuen Stücke“ sollen zeigen, dass Wuppertal Theaterhighlights entwickeln kann"
Adolphe Binder, die Intendantin des Wuppertaler Tanztheaters Pina Bausch, spricht im Interview über zwei Uraufführungen und die Proben im künftigen Bausch-Zentrum.
Wuppertal. Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch probt derzeit für zwei Uraufführungen zugleich, die erstmals zwei externe Choreographen gestalten: „Neues Stück I“ von Dimitris Papaioannou und „Neues Stück II“ von Alan Lucien Øyen. Wir sprachen mit der Intendantin Adolphe Binder über die Herausforderung, das Tanztheater in die Zukunft zu führen, über Bedeutung und Risiko bei Erfindungen und über Proben im Schauspielhaus.
Wie laufen die Proben für die Uraufführungen am 12. Mai und 2. Juni?
Adolphe Binder: Wir arbeiten in einer erhitzten Kreativküche auf Hochtouren, in einem spannenden Labor, das nach 44 Jahren erstmals zwei volle Arbeiten herausbringt, die nicht von Pina Bausch sind. In unmittelbarem Anschluss aneinander, damit alle Tänzerinnen zu gleicher Zeit durch diesen Initiationsakt gehen, und wir allen Neugierigen tolle Vielfalt präsentieren können. Es ist ja ein Auftrag, der neben dem enormen Erbe eines Genies bestehen muss, das nicht nur Tanz, Theater und Menschen verändert hat, sondern waghalsige Elemente auf die Bühne brachte, die noch nie zuvor gedacht, gemacht und gesehen wurden. Uraufführungen sind etwas ganz Besonderes. Ich unke immer: . . . form, storm, norm, perform . . . Ein Kreationsprozess bedeutet Recherche, Forschung, viele Tests, viele Experimente mit Materialien und Darstellern, Zuspitzungen und eine Menge „Abfall“ bis zur Erfindung eines Kunstwerks — bis zur letzten Vorstellung. Wir arbeiten an „Sets“, die animiert werden und die mit den Darstellern interagieren. Wir erfinden alles von Null und suchen das goldene Ei. Wir haben eine erstaunliche Gruppe von Menschen, Künstlern, Technikern etc., und die Gewissheit, dass sich unser Ensemble nach neuen Herausforderungen sehnt, das ist das A und O.
Adolphe Binder, Intendantin des Tanztheaters.
Sie proben auch im Schauspielhaus, dem künftigen Pina-Bausch-Zentrum (PBZ).
Binder: Auch wir müssen uns kreativ entfalten, über alle Studio- und Ateliermöglichkeiten vom Alten Markt zum Opernhaus, zum Schauspielhaus zu den Riedel-Hallen. Das zukünftige Pina-Bausch-Zentrum zu involvieren, liegt doch nahe. Es lebt, es bewegt sich, ein Lichtraum aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Außerdem braucht das PBZ einen klugen dramaturgischen Bogen bis zur Eröffnung, was eignet sich besser als dieser Kreativprozess mit globaler Aufmerksamkeit?
Wie eng sind Sie in die Proben eingebunden?
Binder: Kreationen sind komplexe Innovationen. Das beginnt lange vor den Proben. Erstmal musste eine fruchtbare Plattform entwickelt werden, die den kreativen Prozess erst erlaubt. Wir haben mit ersten Gesprächen im Sommer 2016 begonnen, uns herangetastet, Teams gebildet und geschult, Workshops gemacht, Besetzungen herauskristallisiert. Konzepte durchdacht, verworfen, neu erfunden. Das Proben ging nach Ostern 2018 richtig los. Ich bin im steten Austausch und Dialog mit den Künstlern, die freilich künstlerische Freiheit haben, mit den Teams. Ich bin, soviel es geht, in den Studios, meinem Lieblingsort in Wuppertal ohnehin. Vertrauen in Professionalität und Kommittent aller Kollegen braucht es auch. Die haben klare Aufgaben, aber auch Aktions- und Gestaltungsspielräume. Ohne die geht beim Kunstmachen nichts.
Welche Bedeutung haben die beiden neuen Stücke für die Zukunft des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch?
Binder: Sie sind enorm wichtig. Es ist der genetische Code des Tanztheaters immer neue Stücke zu erfinden, couragiert, neugierig, menschenfreundlich. Ich wurde schließlich angeheuert, um das legendäre Tanz-Ensemble Wuppertals in die Zukunft zu führen. Das Erbe glänzen zu lassen, neue Formate und Kreationen zu entwickeln. Es gilt, die ersten Stücke in voller Länge für das Tanztheater nach Pina Bausch zu erstellen. Die „Neuen Stücke“ sollen möglichst glänzende Arbeiten sein. Zeigen, dass Wuppertal erneut Theaterhighlights entwickeln kann, dass das ,Wunder’ weiter verwundert und lebendig ist. Erwartung und Herausforderung sind gewaltig. Die Theaterwelt schaut gerade auf uns. Interkontinental. Hier müssen alle Beteiligten ihr passioniert Bestes geben. Die „Neuen Stücke“ runden meine erste Spielzeit ab. Ein holistisch-kreativer Ansatz, mit allem, was seit August passiert ist. Wie jeder Intendant agiere ich zum Besten für die Stadt, die Künstler, das Werk und unsere Unterstützer. Drücken Sie mir und uns die Daumen. Keine neue Erfindung ohne Risiko.