Ein Interview für ein Eis Spontanes Interview gegen ein Eis: „Behinderte Menschen sind so schön direkt“

Wuppertal · Fotografin Christina Fuchs-Leyendecker arbeitet als ehemalige Schreinerin im Troxler-Haus - ein Interview.

Christina Fuchs-Leyendecker schleckt ihr Eis vor der Basilika St. Laurentius.

Foto: Schwartz, Anna (as)

 Manchmal ist es gar nicht so leicht, ein Eis gegen ein Interview einzutauschen. Die Passanten am Laurentiusplatz haben alle gute Gründe, warum sie gerade nicht spontan mit der WZ ins Gespräch kommen können. Dann kommt da eine Frau daher, auf deren Oberteil geschrieben steht „Don’t stop dreaming“. Auch sie hat eigentlich gar keine Zeit, weil ihr Parkschein doch bald abläuft. Doch zum Glück findet Christina Fuchs-Leyendecker die Idee so toll, dass sie dem Automaten einen Korb und uns ein Interview für ein Eis gibt.

Frau Fuchs-Leyendecker, bevor ich es vergesse: Darf ich Sie nach dem Alter fragen? Ich weiß, manche Frauen finden das unhöf...

Christina Fuchs-Leyendecker: 57.

Das kam ohne Umschweife. Sind Sie so jemand, der überhaupt kein Problem mit dem Alter hat?

Fuchs-Leyendecker: Ich komme gerade frisch vom Friseur. Da würde ich doch bestimmt wieder für 50 durchgehen. (lacht) Nein, im Ernst: Natürlich gibt es Tage, an denen man sich sagt: Mit 20 oder 30 war einiges viel leichter. Früher hatte man am Wochenende drei Termine und abends noch Party und hat davon am Sonntag nichts gemerkt. Jetzt sage ich: Ein Termin und dann ist gut, sonst bin ich geschafft. Aber ich muss sagen: Wenn ich zu irgendetwas Lust habe und mir das zutraue, dann frage ich mich nicht, ob das denn altersgemäß ist.

Was machen Sie denn gerne in Ihrer Freizeit?

Fuchs-Leyendecker: Mein Hobby ist das Fotografieren. In meinem Freundeskreis kennt man mich mit Kamera. Das gehört zu mir. Und wenn Feiern wie Hochzeiten oder der 80. Geburtstag von Tante Else anstehen, dann werde ich gefragt, ob ich nicht fotografieren kann.

Woher kommt die Lust am Fotografieren?

Fuchs-Leyendecker: Mein Vater war oft geschäftlich unterwegs. Als ich 14 war, hat er aus der Tschechoslowakei für wenig Geld eine Spiegelreflexkamera mitgebracht. Davor hatte ich nur eine Ritsch-Ratsch-Pocketkamera. Aber die Bilder waren mittelmäßig bis katastrophal. Da war nix mit Schärfentiefe oder so. Und obwohl die Spiegelreflex eigentlich unsere Familienkamera sein sollte, hat es nur ein halbes Jahr gedauert und dann war das meine.

Was fotografieren Sie am liebsten?

Fuchs-Leyendecker: Menschen. Ich mag es, den Augenblick zu treffen, in dem die Persönlichkeit hervorblitzt. Im normalen Leben künsteln ja viele Leute und sind wenig authentisch. Mein liebstes Instrument an der Kamera ist daher der Zoom. Weil man damit sehr weit weg sein kann und trotzdem das Gesicht der Menschen einfangen kann, ohne dass sie posieren oder sich besonders in Szene setzen.

Bei Instagram, Facebook und Co. ist Posieren ja ziemlich angesagt...

Fuchs-Leyendecker: Ich finde das schrecklich. Ich habe mir glaube ich 2013 eine Facebook-Seite angelegt und seitdem nichts mehr damit gemacht. Ich will doch gar nicht, dass die ganze Welt immer weiß, was ich gerade mache. Ich habe aber bei der Arbeit auch mit vielen jungen Leuten zu tun und bekomme da mit, wie oft die Sachen im Alltag online teilen. Da bin ich manchmal verwundert.

Ich finde ja, manchmal kann das auch einen schönen Moment kaputt machen, wenn man immer sofort die Kamera zückt.

Fuchs-Leyendecker: Ja, das ist allerdings auch mein Part. So bin ich. Fragen Sie mal meinen Mann, wie das ist, mit mir in Urlaub zu fahren. Der geht in der Regel zehn Meter vor, weil ich immer noch warten muss, bis die eine Ente noch ein bisschen weiter nach rechts geschwommen ist. Oder ich bleibe an jeder Häuserfassade stehen. Ich habe beispielsweise auf Malta eine Fotoserie gemacht und dort Türknäufe fotografiert. Da bin ich dann fast an jeder Tür stehen geblieben.

Und bei der Arbeit haben Sie viel mit jungen Menschen zu tun?

Fuchs-Leyendecker: Ja, ich arbeite in der sozialtherapeutischen Werkstatt des Troxler-Hauses mit Behinderten zusammen. Das ist allerdings mein zweiter Beruf. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung zur Schreinermeisterin gemacht. Das habe ich auch geliebt. Ich hatte aber irgendwann Rückenprobleme und mein Orthopäde hat mir gesagt, dass es gut wäre, wenn ich nicht mehr als fünf Kilo heben würde. Welcher Schreiner kann auf die Baustelle gehen und nichts mehr heben? Allein die Werkzeugkiste ist fünf Kilo schwer.

Was schätzen Sie an Ihrem neuen Beruf?

Fuchs-Leyendecker: Die Menschen sind so schön unmittelbar und direkt. Da gibt es nichts Gekünsteltes. Übrigens arbeite ich noch immer mit Holz. Wir stellen Kinderharfen her, die sogar in Japan und China verkauft werden.

Ich hoffe, Sie haben jetzt wegen des Interviews kein Knöllchen am Auto. Welches Eis mögen Sie?

Fuchs-Leyendecker: Eine Kugel Joghurt, bitte.