Bahnsperrung bringt Zeit für Dachsanierungen

Immobilienbesitzer nutzen die zugfreien Wochen, um sonst verbotene Arbeiten zu erledigen.

Foto: Anna Schwartz

Barmen. Wuppertal leidet unter der Bahnsperrung während der Sommerferien. Stimmt nicht ganz, denn an der Bahnstrecke zwischen dem Hauptbahnhof und Oberbarmen gibt es auch einige, die sich freuen, dass die Stadt vom Zugverkehr abgeschottet ist: Die Anwohner an den Gleisen, die jetzt in der Nacht und natürlich auch am Tag himmlische Ruhe haben, das Fenster tagsüber offen lassen können, ohne vom Rattern der Güterzüge und dem Pfeifgeräusch des dahinrasenden ICE gestört zu werden.

Und es gibt noch einen positiven Aspekt. Da manche Häuser so nah an der Bahnstrecke stehen, dass Renovierungsarbeiten während des regulären Verkehrs aus Sicherheitsgründen nicht möglich sind, bieten sich die gut sechs Wochen Stillstand für solche Arbeiten an.

Die Bahn hatte Presse und Anwohner bereits im Februar über diese unverhoffte Möglichkeit informiert, sogar Handzettel per Hauswurfsendungen entlang der Strecke verteilt. Das Echo war eher schwach, nur neun Hausbesitzer hatten sich gemeldet und ihre entsprechenden Wünsche bis Ende März dokumentiert. Eine von ihnen ist Ingrid Becker, die das Dach ihres durch eine Einfahrt erreichbaren Hauses an der Wittensteinstraße decken lassen möchte und die Gelegenheit nutzte. „Auf so eine Gelegenheit habe ich lange gewartet“, erklärte Ingrid Becker. „Leider waren die Arbeiten während der Sperrung in den Osterferien nicht gestattet, aber jetzt kann es endlich in Angriff genommen werden.“

Donnerstagnachmittag hatte sie zusammen mit Dirk Pohlmann, Pressesprecher der Bahn in NRW zum Ortstermin eingeladen. Pohlmann erläuterte, dass es vor allem Hausbesitzer in der Wittensteinstraße waren, die diese Möglichkeit, Dach oder Fassade reparieren zu lassen, nutzten.

Ingrid Beckers Haus wurde vor 110 Jahren offensichtlich sehr solide gebaut und zeigt sich in guter Verfassung. Sechs Parteien wohnen drin, und unten haben sich auch ein Atelier und eine Werkstatt eingemietet. „Dass man an einer Bahnstrecke keine Vorstadtruhe erwarten kann, weiß jeder, aber ich mache meine Mieter auch ausdrücklich darauf aufmerksam“, so Becker, die aber auch darauf hinweist, dass der Bahnlärm durch Dreifachverglasung im Wesentlichen draußen gehalten werden kann. „Dafür gibt es Zuschüsse von 30 Prozent“, erklärt sie.

„Wenn man gute Fenster hat, hört man kaum etwas“, sagte Markus Sudbrock, der unterm Dach wohnt und beim Fernsehen schon mal Probleme hat, wenn er nicht jede Feinheit der Dialoge mitbekommt. „Dass sechs Wochen keine Züge fahren, empfinde ich nicht unbedingt als Wohltat“, meint er. Student Meliscan Kosan (22) wohnt erst seit einem Monat im Haus an der Wittensteinstraße und genießt die sperrungsbedingte Ruhe natürlich ganz anders.

Die eigentlichen Dachdeckerarbeiten werden durch Jan Frederik Trilling und seine Firma ausgeführt. Zwei Gerüste sind erforderlich. Mit einem wird der Zugang zum Dach des Nachbarhauses gesichert, von wo aus das zweite eigentliche Arbeitsgerüst erstellt worden ist. „Wir konnten erst am Mittwoch anfangen, haben aber die Dachpfannen schon weitgehend abgetragen“, erklärt der junge Meister. „Bis übernächste Woche haben wir ja Zeit, das Dach mit neuen Pfannen einzudecken, und ich bin optimistisch, dass wir das schaffen.“

Ingrid Becker hört es mit Wohlgefallen und ist der Bahn dankbar für die sechs zugfreien Wochen.