Erinnerungen aus Wuppertal in Reim, Prosa und Platt
Charlotte Elling (92) hat ihrem Buch über ihre Barmer Kindheit ein zweites folgen lassen.
Wenn Charlotte Elling eine Geschichte erzählt, dann tut sie das mit Begeisterung und Leidenschaft. Meistens sind es amüsante Anekdoten aus ihrem Leben, die sie vor ihren Gästen zum Besten gibt, gerne auch auf Barmer Platt. „Ich habe bereits in den 70er Jahren damit angefangen, meine Kindheitserinnerungen in Hochdeutsch niederzuschreiben“, sagt die 92-jährige Vohwinkelerin. „Dann habe ich aber gedacht, nein, das ist Lokalkolorit, ich muss das in Barmer Platt aufschreiben.“
Dass aus diesen gesammelten Erinnerungen mal ein Buch entstehen würde, damit hätte sie allerdings nicht gerechnet. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, meine Texte einem Verlag anzubieten“, gesteht die Seniorin.
Stattdessen ergriff ihre langjährige Freundin Martina Frank-Rosenberg die Initiative und schickte 2015 ein Manuskript an den Wuppertaler Verlag Edition Köndgen. Das Ergebnis war „Vertellsches on Vääschkes“ — Erzählungen und Verse — mit Charlotte Ellings Kindheitserinnerungen in Barmen (1925-1938) in Reim und Prosa-Texten.
Das Buch stieß auf soviel positive Resonanz, dass vor kurzem mit „Mehr Vertellsches on Vääschkes uttem Wopperdal“ eine Fortsetzung erschienen ist — erneut auf Platt.
„Im zweiten Buch geht es weniger um mein persönliches Schicksal, sondern mehr darum, was ich mit Zeitgenossen erlebt habe“, erklärt die Autorin. Angefangen bei alltäglichen Geschichten an ihrem Wohnort bis hin zu Erlebnissen während ihrer Zeit als Bibliothekarin in der Bücherei in Elberfeld. „Es sind aber auch viele neugeschriebene Texte dabei, die mir im Laufe der Zeit spontan eingefallen sind.“
Dabei hatte die Beziehung zu ihrer geliebten Mundart keinen einfachen Start: „Als ich ein Kind war, war das Plattsprechen verpönt. Man wurde zu Hause darauf hingewiesen, nur Hochdeutsch zu sprechen. Aber ich hatte trotzdem schon früh ein Faible für diese Mundart entwickelt“, erzählt sie lächelnd.
Mit Erfolg. Denn schon vor mehr als 40 Jahren ging sie mit einem Gedicht auf Platt an die Öffentlichkeit und nahm an einem Preisausschreiben der Zeitschrift „Bergische Blätter“ teil. „Drei Tage, nachdem ich das Gedicht eingereicht hatte, bekam ich auch schon die Nachricht, dass ich hundert Mark gewonnen hätte“, erzählt sie. Auch danach blieb sie der Mundart treu und veranstaltete zwischen 1993 und 2008 zweimal jährlich Vortragsabende auf Barmer Platt.
Ein Ende des Plattsprechens erwartet Charlotte Elling nicht. „Ich glaube nicht, dass Platt ganz aussterben wird“, betont sie: „Vohwinkel ist zum Beispiel noch so eine Insel, wo viel Platt gesprochen wird, dazu kommen die Vororte Beyenburg, Cronenberg und Ronsdorf. Zudem hatte ich viele Kollegen, die in Mundart geschrieben haben, da ist also noch was im Gange.“
Ob sie selbst noch ein drittes Buch verfasst, ist ungewiss. Seit einigen Jahren nimmt ihre Sehkraft ab, die beiden Bücher hat sie auch mithilfe von zwei Helferinnen geschrieben, die die vielen handgeschriebenen Aufzeichnungen in einen Computer übertrugen. Stoff sei jedenfalls noch reichlich vorhanden, versichert Charlotte Elling. „Erst letztens ist mir ein Gedicht zum Sturm Friederike eingefallen“, verrät sie. Natürlich auf Platt, versteht sich.