„U-96“ liegt in Barmen vor Anker

Fachleute aus ganz Deutschland proben im Übungskanal der Stadtwerke ihre tägliche Arbeit – und den Ernstfall unter Tage.

Barmen. Es dauerte nicht lange - und der Klotz aus Stahl und Beton hatte seinen Namen weg: "U-96" nennen Mitarbeiter der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) die Übungsanlage an der Schützenstraße, in der nicht nur Kanalreiniger seit gut zwei Jahren unter anderem auch den Ernstfall unter Tage üben. In der Tat lässt ein Blick in den Koloss klaustrophobische Gefühle aufkommen, die dem U-Boot aus Wolfgang Petersens Kriegsfilm-Klassiker in keiner Weise nachstehen.

Dunkelheit, Gefälle, Kurven, Wassermassen und wenig Platz: Dass ein Job bei der Kanalreinigung und -wartung alles andere als einfach und ungefährlich ist, schwant jedem, der schon einmal einen Blick in einen Kanal-Schacht geworfen hat. Entsprechend scharf sind die Sicherheitsbestimmungen, die mit der Arbeit und Rettungseinsätzen unter Tage verbunden sind.

Um genau die drehen sich die Schulungen in der WSW-Anlage, zu der Fachpersonal aus ganz Deutschland anreist. Externe Firmen sind ebenso dabei wie zum Beispiel auch die gut 100 Mitarbeiter des Stadtentwässerungsbetriebs in Köln. Mit der Deutschen Vereinigung für Wasser- und Abwasserwirtschaft (DWA) ist auch der Dachverband aller Entwässerungsbetriebe in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes in Barmen mit an Bord.

Dass längst nicht jede Firma und jeder Kanalarbeiter es mit der Sicherheit so genau nehmen, erlebte ein WSW-Mitarbeiter erst vor kurzem: Als ein Mann ohne Helm und ohne Gasmessgerät - dafür aber mit leichten Turnschuhen an den Füßen - in einen Kanalschacht einsteigen wollte, stellte der Beobachter den Arbeiter kurzerhand zur Rede: Das Gasmessgerät der Firma werde derzeit leider woanders gebraucht, hieß es lapidar als Antwort. Das Resultat: Die Baustelle wurde sofort stillgelegt - und die Firma des Kanalarbeiters buchte einen Tag später eine Rettungsübung in "U-96".

Eine Gefahr geht bei Kanalarbeiten von giftigen und explosiven Gasen aus: Ihre Konzentration muss erst einmal per Sonde gemessen werden, bevor es überhaupt in den Schacht geht. Erst nach 15 Minuten Entlüftung darf der Kanal betreten werden. Neben dem richtigen Einstieg geht es in der Übungsanlage auch um die Rettung aus der Tiefe, sollte ein Mitarbeiter unter Tage bewusstlos werden, stürzen oder sich verletzen. Dazu kommt in "U-96" ein Dummy zum Einsatz, der in etwa so träge ist wie ein Sandsack beim Boxtraining und mit einer Spezialtrage aus dem Schacht gezogen werden muss.

Auch die Hochdruck-Kanalreinigung mit 250 bar kann in der Anlage unter realistischen Bedingungen einstudiert werden. Die WSW-Mitarbeiter werden einmal jährlich geschult, berichtet Jörg Lunkewitz, Fachkraft für Arbeitssicherheit, bei den WSW für die Kanalreinigung und Sicherheitsschulungen zuständig.

Entwickelt wurde die 2007 für gut 40000 Euro errichtete Anlage mit dem Fachbereich für Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit der Bergischen Universität - auf Grundlage von Diplomarbeiten der Studenten Björn Obermeyer und Javier Llorente. In den Stahlbau und die Rohr-Arbeiten wurde die Lehrwerkstatt der WSW einbezogen. Ein Vorteil von "U-96" liegt auf der Hand: Während für Kanal-Übungen woanders Straßen gesperrt werden müssen, sind die Beteiligten hier unter sich und können in Ruhe Manöverkritik üben - bevor es "an Bord" der Anlage ein weiteres Mal in die Tiefe geht.