Wartesaal, Disco und Kulturtempel: 100 Jahre Barmer Bahnhof
Seit nunmehr 100 Jahren steht das imposante Gebäude für außergewöhnliche Architektur und großartige Veranstaltungen.
Barmen. Die Uhr muss wieder laufen. Für Thomas Leipoldt, den Inhaber der Bahnhofsbuchhandlung Jos. Linz & Sohn, war das jahrelang die große Sorge. Mit gutem Grund. Denn auf dieser Uhr erschienen statt Ziffern die Buchstaben „Wuppertal Barmen“. Wer hinaufschaute, fand dort das Sinnbild einer stehengeblieben Zeit im Stadtteil.
Leipoldt gelang es, nicht nur die Uhr mit ihrem komplizierten Räderwerk wieder ans Laufen zu bringen. Der Kraftakt kostete ihn ein gutes Stück seines Lebens. Was kaum jemand weiß: Von ihm stammte die Idee, die sich Alfred Biolek und Gigi Campi auf die Fahnen schreiben sollten. „Mit dem Bahnhof ging es Ende der 80er Jahre bergab. Die Schalterhallen wurden geschlossen. Den Pächtern der Läden kündigte die Bahn“, erzählt Leipoldt, der Kapitän zur See gewesen war, bevor er 1976 den urgroßelterlichen Bahnhofskiosk übernommen hatte.
„Ich bin damals nach Köln gefahren, um mit der Bahn über ein größeres Projekt im Bahnhof zu verhandeln. Am Nebentisch saß Gigi Campi, der das Gespräch mithörte.“ Campi zählte mit Biolek zu den Betreibern des „Alten Wartesaals“ in Köln. Die beiden erkannten eine Chance und schnappten Leipoldt den Bahnhof vor der Nase weg. Sie hatten große Pläne, wollten den alten Ostflügel wieder aufbauen und nebenan ein Hotel errichten.
Mit ihren Veranstaltungen brachten sie einen Hauch von Glamour nach Barmen, doch war der Bahnhof am Ende nur noch eine gefragte Disco und wurde wegen verschärfter Brandauflagen 2001 geschlossen.
Über alle Turbulenzen hinweg stand Leipoldt treu zu seiner Idee, verpflichtet durch den Familienbetrieb. Schließlich konnte er seinen Schwager Kurt Rydl für das Projekt gewinnen. Ende 2008 kaufte der berühmte Wiener „Megabass“ den Bahnhof, doch bis zur Wiedereröffnung als Kulturtempel sollten noch zwei Jahre der Mühen vergehen.
„Ich erinnere mich sehr gut an diese Räume“, sagte Alfred Biolek, als er 2011 bei einem Pressegespräch wieder im Empfangssaal des Bahnhofs saß. Es habe sich nur wenig verändert, doch sei es moderner und vor allem viel sauberer geworden.
In diesem properen Rahmen wird mittlerweile ein buntes Programm von Party bis Kabarett serviert. Zudem haben dort schon tolle Firmenfeiern stattgefunden. Der Reiz aller Veranstaltungen besteht darin, dass durch die riesigen Fenster der Blick auf die Stadt fällt und dass die Gäste auch von Emporen aus auf Bühne und Tanzfläche schauen.
Gleich nebenan wissen sie die Hochkultur bei den Wuppertaler Bühnen in guten Händen. Für Christiane und Kurt Rydl war die Nähe zum Opernhaus ein wichtiges Argument, sich für den Bahnhof zu entscheiden. Es bleibt ihr Wunsch, eines Tages auch die ganz großen Stars der Musikwelt in ihr Haus zu holen.