Wichlinghauser Geschichten: „Damit die Geschichte unseres Stadtteils nicht verloren geht“
Wie aus Geschichten erst ein Buch und nun eine Ausstellung wurde. Zur Vernissage am Sonntag kamen viele Gäste.
Wichlinghausen, 1944: Es ist Krieg. Draußen ist es kalt. Karl-Helmut Pfannkuchen sitzt im Schaufenster des Fachwerkhauses, in das die Sonne hinein scheint. Er liest ein Buch. Indianergeschichten sind ihm das Liebste.
Niemand sieht ihn, weil das Fenster mit Packpapier zugehängt ist. Der Grund: In der Not gibt es im Geschäft Runkel nichts zu verkaufen. Mit der Schere schneidet der acht Jahre alte Junge einen Schlitz frei, um die Leute auf der Straße zu beobachten.
66 Jahre später hat der heute 74-jährige Karl-Helmut-Pfannkuchen diese Erinnerung seiner Kindheit den Gästen des Erzählcafés im K1-Art-Café anvertraut. Er gehört zu den Zeitzeugen, die die Vergangenheit des Stadtteils erlebt haben. In dem Fachwerkhaus, das sein Ur-Ur-Großvater Christian Runkel um 1850 erbaut hat, lebt er noch heute - in der ersten Etage.
Damals als Achtjähriger half Pfannkuchen dem Großvater gerne, die Schachteln, in denen die Feldpost für die Soldaten an der Front verschickt wurden, zu falten. Er heftete, stanzte, faltete.
Es war ihm eine Inspiration, es dem Großvater, einem Buchbindermeister, gleichzutun. Er machte eine Lehre und übernahm das Schreibwarengeschäft mit einer gut sortierten Buchabteilung. Generationen von Schülern haben bei ihm ihre Schulhefte gekauft.
Diese (Lebens)Geschichte ist nur eine der vielen "Wichlinghauser Geschichten", aus denen jetzt eine Ausstellung und eine Broschüre konzipiert wurde. Mehr als 100 Zeitzeugen haben bei den von der Stadt geförderten Erzählrunden mitgemacht. Bilder, Geschichten und Dokumente wurden zwei Jahre lang zusammengetragen. Das Konzept stammt von Marie Luise Barkhoff, die solche Gesprächsrunden mit älteren Menschen seit 17 Jahren leitet.
Die Sehnsucht, die Erinnerung an die Vergangenheit wach zu halten, ist groß: 60 Leute kamen zum ersten Treffen, zur Vernissage am Sonntag doppelt so viele.
Und die Gäste plauderten: Ob über Jugendstreiche oder die Begegnung mit amerikanischen Soldaten, die den Kindern des Stadtteils Kaugummis schenkten, spricht Zeitzeuge Werner Heldmann gerne.
Was ihn mit Karl-Helmut Pfannkuchen eint, ist der Grund der Teilnahme am Projekt: "Die Geschichte unseres Stadtteils soll nicht verloren gehen."