Ende einer Institution: Der Würstchenkönig vom Ölberg
Über 50 Jahre führte die Familie die Metzgerei am Schusterplatz. Jetzt schließt Eckhardt Henke das Traditionsgeschäft.
Ölberg. Im Schaufenster unter den orangen Markisen an der Marienstraße hängen noch die Angebotsschilder. Fleischwurst und Mettwürstchen werden beworben. Ein kleines Glöckchen bimmelt, wenn ein Kunde die Tür zur Metzgerei Henke öffnet, wo Eckhardt und Annegret Henke hinter der Theke bereits warten.
„Ach, der Wolfgang ist wieder da“, sagt die Inhaberin. Schon seit 18 Jahren kauft er in der Metzgerei ein — und darf auch heute noch den Schweinebraten erstmal probieren. Eckhardt Henke reicht ihm eine Scheibe. „Zwei Mal die Woche komme ich und kaufe frischen Schweinebraten“, sagt Wolfgang Niehaus. Er bedauert, dass seine Stammmetzgerei Ende des Jahres nun endgültig die Türen schließt. „Das ist sehr bitter. Ich glaube, ich muss Vegetarier werden“, sagt er, und Eckhardt Henke muss schmunzeln.
Im Januar 1984 hatte der heute 62-Jährige den Laden von seinem Vater übernommen. Schon seit 50 Jahren wird der Laden von seiner Familie geführt. „Der Vater von Else Lasker-Schüler hat das Haus 1870 gebaut“, erzählt Henke, „bereits damals wurde es für die Nutzung eines Metzgereibetriebes konzipiert.“ Auch der Räucherofen für 200 Mettwürstchen, welcher mit Buchenspänen angefeuert wird, stammt noch aus der Zeit — wie so viel anderes in dem Lokal hat auch dieser sich nicht verändert.
Blumenkacheln, die Holzvertäfelung, der Stuck an der Decke und eine versteckte Kassenschublade aus Holz erinnern noch an die Tradition der Metzgereien auf dem Ölberg. „In der Marienstraße gab es vier Metzgereien und fünf Bäckereien“, erinnert sich Annegret Henke. Heute ist nur noch die Metzgerei Henke übrig geblieben. Die Konkurrenz mit den Supermarktketten mache es den Einzelhändlern schwer, sagt das Ehepaar.
Annegret und Eckhardt Henke haben im Wettbewerb immer auf Qualität gesetzt. Einmal in der Woche fährt der Metzgermeister morgens um drei Uhr auf den Markt und verwurstet anschließend direkt die Ware in seiner Wurstküche. Eine spezielle Gewürzmischung mache seine Würste so besonders, erklärt er. Geschmacksverstärker oder Konservierungsmittel sind für das Ehepaar tabu. „Unsere Stammkundschaft nennt meinen Mann auch den Würstchenkönig vom Berg“, sagt die Metzgersfrau.
Olaf Faustmann schwört seit Jahren auf den Leberkäse und die Fleischwurst mit Knoblauch — und kommt dafür extra aus Barmen. „Als ich gehört habe, dass die beiden schon früher zumachen, hatte ich den ganzen Tag richtig schlechte Laune,“ sagt er.
Für die Schließung der Metzgerei und somit für den Ruhestand hat sich das Ehepaar im November entschlossen. „Meine Frau hat eine kaputte Hüfte und muss operiert werden“, erklärt Eckhardt Henke. Für ihn war es keine Option, alleine weiter zu machen. „Wir führen schon seit 22 Jahren zusammen das Geschäft. Alleine geht das nicht mehr“, sagt er — wie seine Frau ein echter Ölberger.
Das Ehepaar hat sich sogar auf der Marienstraße kennengelernt. Annegret Henke war die Tochter des Bäckermeisters Koch „von gegenüber“ und stieg nach der Heirat direkt in den Betrieb mit ein. Nach so langer Zeit wird ihr besonders das Gespräch mit den Kunden fehlen. „Der Laden war immer ein Treffpunkt für den Berg“, sagt sie.
Eckhardt Henke hat nun die letzten Mettwürstchen in den Räucherofen gehängt. Wenn diese verkauft sind, heißt es Abschied nehmen von einer Institution auf dem Ölberg.