Wuppertal Start-up-Szene wächst im Verborgenen
W-tec-Chef Martin Hebler glaubt, dass die Stadt als Gründerzentrum ein Imageproblem hat.
Wuppertal. Vom „Hidden Champion“ spricht man in der Wirtschaft gerne, wenn ein Unternehmen in einem bestimmten Segment zu den Marktführern gehört, bundesweit aber wenig bekannt ist. In diesem Sinne könnte man Wuppertal und das Bergische Land vielleicht als „versteckten Sieger“ bezeichnen, sagt Martin Hebler, Geschäftsführer des Wuppertaler Technologiezentrums W-Tec.
Bei der Entwicklung einer Gründerszene sind Stadt und Region landes- und bundesweit führend. In NRW ist höchstens noch ein Standort wie Köln aktiver — durch seine Rolle als Medienstadt sei das aber nicht verwunderlich, betont Hebler. Schon gleich dahinter sieht der W-Tec-Geschäftsführer allerdings den Standort Wuppertal. In dem 1992 von 20 Unternehmen und der Stadt gegründeten Technologiezentrum sind derzeit etwa 225 Firmen ansässig — rund ein Drittel sind Start-ups, also neue Firmen, die zum Beispiel von Hochschulabsolventen gegründet wurden.
„Damit sind wir das größte Technologiezentrum Deutschlands“, sagt Hebler erfreut. Und noch dazu eines von wenigen, das ohne öffentliche Mittel auskommt. Zugleich räumt er aber auch ein, dass Wuppertal derzeit noch ein Imageproblem hat und nicht die Aufmerksamkeit erhält, die es in der Sache eigentlich verdient hätte. Eine prosperierendes Technologie- und Gründerzentrum ist das eine, die Zusammenarbeit mit Partnern das andere. Und hier verweist der W-Tec-Geschäftsführer gerne auf die Kooperation mit der städtischen Wirtschaftsförderung, der Bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer und der Bergischen Uni. Gemeinsam betreiben die Partner ein „Starter-Center“, das sich in den Räumen der IHK findet.
„90 Prozent der Fragen bei einem Start-up sind gleich. Dort haben die potenziellen Gründer einen Anlaufpunkt“, sagt Hebler. Bei speziellen Fragen können die jeweiligen Partner weiterhelfen. Viele der Neugründungen stehen im Zeichen der Digitalisierung. „Das ist natürlich ein sehr starkes Thema“, sagt die Gründungsberaterin bei W-Tec, Lisa Schlichting. Nach ihren Schätzungen kreisen etwa 80 Prozent der Geschäftsideen um dieses Thema. Allerdings gibt es auch durchaus analoge Geschäftsmodelle: zum Beispiel eine Limonade, die die Gesundheit stärken und das Leistungsvermögen erhöhen soll, oder Kleidung, die aus Holz hergestellt wird.
Spätesten beim Vertrieb der Produkte stehen die Jungunternehmen dann allerdings knietief in der digitalen Vernetzung. Geschäftsführer Hebler ist zudem Dozent der Bergischen Uni und entwickelt in seinen Seminaren Ideen zu neuen Firmen. Dabei hat er eine interessante Beobachtung gemacht. „Viele Studierende suchen heutzutage ihre berufliche Erfüllung in der Gründung einer Firma“, sagt er. Das sei anders als früher, als viele Studenten nach dem Abschluss ihrer akademischen Ausbildung schnell einen Job haben wollten.
Hebler nennt diese jungen Leute „Generation Y“ - in Abgrenzung zu der eher hedonistisch orientierten „Generation X“. Auch soziale Faktoren wie Nachhaltigkeit oder soziale Gerechtigkeit spielten bei der Entwicklung der Geschäftsideen eine immer größere Rolle. Wobei auch in Zeiten der Digitalisierung und der virtuellen Realität nicht auf Geld verzichtet werden kann.
Damit die potenziellen Firmengründer an Geld kommen, können sie spezielle Kredite bei Banken aufnehmen. Zudem können sie sich öffentliche Geldgeber suchen — zum Beispiel Firmen oder Fonds, die das Unternehmen mit „Wagniskapital“ unterstützen, weil sie von dem Geschäftsmodell überzeugt sind. In Wuppertal wurde dafür der Fonds „Bergisches Land — Südwestfalen“ (BLSW) aufgelegt. Er stellt bis zu 1,5 Millionen Euro pro Projekt zur Verfügung.
Bislang finanziert der Fonds drei Unternehmen: eines zum Lesen kostenloser E-Books, eines, das den günstigsten Paketservice für Online-Shops errechnet, und eines, das bedarfsgerechte Rechnerleistung in der Internet-Cloud zur Verfügung stellt.
Bislang ist der Fonds 13 Millionen Euro stark, bis Ende des Jahres soll das Volumen durch die Aufnahme neuer Investoren auf rund 25 Millionen Euro anwachsen, sagt Fondsgründer Markus von Blomberg. Blomberg, der auch die Beteiligungsgesellschaft Mello leitet, betont aber, dass neben dem Kapital auch die Beratung durch die Experten für die Firmengründer wichtig ist: „Wir vermitteln Kontakte und bieten Zugang zu Netzwerken. Das kann wichtiger sein als das Geld.“