Stiche am Autonomen Zentrum:Acht Jahre Haft für 25-Jährigen
Landgericht verurteilt Hauptangeklagten wegen versuchten Totschlags. Der Messerangriff sei keine Notwehr gewesen.
Düsseldorf. „Notwehr halten wir für ausgeschlossen“, sagte der Vorsitzende Richter Robert Bertling in der Urteilsbegründung. Mit Notwehr hatte der Hauptangeklagte (25) im Landgerichts-Prozess um die Messerstiche am Autonomen Zentrum sein Handeln begründet. Das Gericht glaubte seine Version der Tat nicht. Es verurteilte ihn gestern wegen versuchten Totschlags zu acht Jahren Haft. Er habe den Tod des 54-Jährigen billigend in Kauf genommen.
Bei der Urteilsverkündung referierte Richter Bertling Hergang und Vorgeschichte. Danach hatte der älteste Angeklagte (43) drei Jahre vor dem Messerangriff das erste Mal das Lokal des späteren Opfers besucht. Als er unangenehm auffiel, hatte der Wirt ihn hinausgeworfen und ihm Hausverbot erteilt.
Anfang des Jahres gab es in Internet-Gruppen der rechten Szene Diskussionen, ein Autonomes Zentrum in NRW zu überfallen. Dabei hatte der 43-Jährige das Wuppertaler AZ ins Gespräch gebracht. Doch aus den Plänen wurde nichts.
Am 11. April traf er sich mit dem 25-Jährigen und dem dritten Angeklagten (39). Nach Genuss von einigem Alkohol kamen sie auf die Idee, das AZ zu besuchen. Dazu nahm der 43-Jährige einen Teleskop-Stab mit, händigte dem 25-Jährigen das Messer aus.
Zunächst blieben sie unbehelligt, dann kam der Wirt (54) des Lokals ins AZ, der den 43-Jährigen einst aus seinem Café geworfen hatte. Er wies andere im AZ auf die drei hin. Diese verzogen sich. Doch an der Tür gab es Diskussionen, bis der 43-Jährige mit „Wir sind die Jungs von der Hogesa!“ versuchte, eine Prügelei zu beginnen. Den Personen im AZ gelang es schließlich, die Tür zu schließen, doch der 54-Jährige blieb versehentlich mit draußen. „Vor der Tür kam es jetzt zu einem 3:1-Gefecht“, formulierte es Richter Bertling.
Es sei höchst unwahrscheinlich, dass der 54-Jährige in dieser Lage den 25-Jährigen angegriffen habe, befand das Gericht: „Wir können uns nicht ernsthaft vorstellen, dass ein Mann so etwas tut.“ Die drei dagegen seien gerade gedemütigt worden, waren mit Waffen zum Tatort gekommen. Auch ihre Versuche, den Hergang zu vertuschen, spreche dagegen, dass der 25-Jährige sich nur gegen Angriffe des 54-Jährigen gewehrt habe.
Acht Stiche zählten die Gerichtsmediziner. Ohne Not-OP wäre der 54-Jährige verblutet. Er lag drei Wochen im Koma, verbrachte sechs Wochen im Krankenhaus. Seine Lungenfunktion ist eingeschränkt. Psychische Folgen belasten ihn so, dass er nicht arbeiten kann.
Die Mitangeklagten verurteilte das Gericht wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung für die Schläge auf den 54-Jährigen. Beide Verteidiger hatten argumentiert, diese Schläge seien nicht nachzuweisen, da bei dem 54-Jährige keine Prellungen festgestellt worden seien. Beide hatten Freispruch gefordert. Mehrere Zeugen hatten aber Angriffe gesehen. Den mehrfach vorbestraften 43-Jährigen, den das Gericht als „Spiritus rector“ des Angriffs bezeichnete, verurteilte das Gericht zu anderthalb Jahren Haft. Der 39-Jährige, der länger nicht auffällig geworden war, bekam als „Mitläufer“ neun Monate auf Bewährung.