Magazin Strafbefehl wegen Satire - und andere Anekdoten aus 40 Jahren iTALien
Wuppertal · Chefredakteur Uwe Becker und Künstler Jorgo Schäfer halten das in den 1980er Jahren schwer umstrittene Blatt am Leben.
In den 1980er-Jahren waren die Reaktionen auf satirische Zeichnungen noch mannigfaltig. Uwe Becker erinnert sich daran, wie eine Gruppe autonomer Frauen einen Stapel seines Magazins „iTALien“ vor den Redaktionsräumen anzündete. Ein anderes Mal wurde das Satire-Heft öffentlichkeitswirksam mit der NS-Publikation „Der Stürmer“ verglichen. Und irgendwann lud die Junge Union dann auch noch zu einem Diskussionsabend ein, um über Satire zu sprechen. Das war kurz nach dem Tod von Axel Cäsar Springer und Heinrich Theodor Böll im Jahr 1985. Da titelte „iTALien“: „Böll tot – Springer tot. 1:1“. „Das gab einen Aufschrei“, sagt Becker nicht ohne schelmische Freude – so wie es sich für den Chefredakteur einer Satire-Zeitschrift gehört.
Am 1. April 2024 ist die Publikation aus Wuppertal 40 Jahre alt geworden. Den Texten und Karikaturen lässt sich keine Altersmilde unterstellen. Aber: Verbrennungen gibt es inzwischen nicht mehr. „Die Leute regen sich nicht mehr so auf“, sagt Becker. Wohl bemerkt er, dass es auch heute wieder Reizthemen gibt, wie beispielsweise das Gendern oder der Umgang mit der Corona-Pandemie. Doch auch wenn diese Themen im Heft angegangen wurden, geht in der Regel keiner mehr vor der iTALien-Redaktion auf die Barrikaden. Die ist inzwischen auch im Wohnzimmer von Uwe Becker angesiedelt und besteht aus dem Chefredakteur und seinem Stellvertreter, dem Künstler Jorgo Schäfer.
Früher aber reichte ein Aufruf gegen die Volkszählung 1987 für eine Anzeige gegen drei Mitglieder der Redaktion. Der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Hermann Josef Richter äußerte sich in der WZ kritisch: „Von uns aus kann jeder schreiben und tun, was er will. Dass wir aber permanent Rechtsbruch auch noch aus Steuermitteln bezuschussen, geht nicht an.“ Doch der damalige Kulturdezernent Heinz-Theodor Jüchter stärkte dem „wichtigen Werbeorgan für städtische Veranstaltungen“ den Rücken.
Trotzdem: Uwe Becker und andere Autoren mussten per Strafbefehl 50 Mark zahlen. „Ganz früher war ich ja kein Profi. Da ist man dann schon zusammengezuckt und dachte, das landet vor Gericht“, erinnert sich Becker. Aber jenseits dieses einen „Fuffis“ Strafe blieben weitere rechtliche Konsequenzen trotz 441 Ausgaben geballtem Ungehorsams aus.
Ursprünglich gehörte Satire gar nicht zum Konzept. iTALien war als Veranstaltungsheft geplant. 13 Institutionen wie die Börse, das Katzengold, das Haus der Jugend und die JazzAGe mit Rainer Widmann saßen 1984 beisammen und gründeten den Verein, der die Publikation herausgeben sollte. Mitgründer Uwe Becker, der für das Katzengold mit am Tisch saß, erinnert sich an die erste „Redaktionskonferenz“ zurück und winkt ab: „Da kamen von jeder Institution gleich zwei Leute. Da saßen wir mit 30 Personen.“ Um Cartoons und bissige Texte ging es da ganz und gar nicht.
Wie Becker in der Geburtstagsausgabe von iTALien schreibt, setzten nach ein, zwei Stunden schnell die ersten „Übungswehen ein, in rascher Abfolge dann auch die Senkwehen, Eröffnungswehen und Presswehen.“ Am 1. April 1984 lag dann das Heft in Gaststätten, Boutiquen, der Volkshochschule und anderen Einrichtungen auf den Fensterbänken. Damals noch völlig humorfrei und voller Kulturankündigungen.
Den Humor brachte Uwe Becker aus reiner Veranlagung ins Blatt. „Ich hab schon als Zwölfjähriger irgendwelche Zeitschriften erfunden“, sagt der Wuppertaler. Als Fan des 1979 gegründeten Satiremagazin „Titanic“, für das er später auch veröffentlichen sollte, orientierte sich Becker an dem anarchischen Stil. Zunächst gab es einige wenige Cartoons.
Exil-Wuppertaler
berichtet aus New York
Doch mit den Jahren verschwanden immer mehr Partner, bis irgendwann Uwe Becker und sein Kumpel und Nachbar Jorgo Schäfer allein am Tisch saßen. Daher brauchte man einen solchen und damit die Redaktionsräume auch nicht mehr.
Zum Problem wurde, dass auch die Börse irgendwann nicht mehr bis zu zwölf Seiten der Ausgabe füllte, sondern nur noch eine halbe. Da blieb viel Platz für Notizen. Becker schrieb zunächst viel selbst, baute dann aber das Netzwerk der Zeichner und Autoren aus. Da gibt es so langjährige Schreiber wie etwa Stephan Oldvoodel, der als Exil-Wuppertaler aus New York berichtet, oder „Dr. Dudrop“, zu dem Becker so trocken wie wahrheitsgetreu bemerkt: „Das ist mein Hausarzt.“
Kann Satire etwas verändern? Mit dieser Frage haben sich die iTALien-Autoren immer wieder konfrontiert gesehen. Dazu fällt Becker eine Anekdote ein. Zum fünften Geburtstag war die Redaktion im Sommer 1989 anlässlich einer Ausstellung von Jorgo Schäfer in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Wie selbstverständlich schiebt Becker nach: „Was dann im November ’89 geschah, weiß jeder...“