Ehrenamt Streitigkeiten klären ohne Gericht

Wuppertal · Schiedsleute helfen, bei Konflikten Lösungen zu finden - die sind rechtlich bindend.

 Schiedsmann Markus Griebenow freut sich, wenn er eine Einigung erreicht. 

Schiedsmann Markus Griebenow freut sich, wenn er eine Einigung erreicht. 

Foto: Fries, Stefan (fri)

Der Fall mit der Hecke, die über die Grundstücksgrenze wächst, ist schon typisch. Aber auch Beleidigungen und leichte Sachbeschädigungen wie abgerissene Autospiegel oder eingetretene Türen können die Geschädigten vor eine Schiedsperson tragen. Die versucht vor allem, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen.

„Ich kann das nur jedem empfehlen. Es ist einfacher, zwei Stunden vor einer Schiedsperson zu verhandeln, als vor Gericht zu gehen“, wirbt Herbert Gerbig, Vorsitzender der Bezirksvereinigung des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen. Er argumentiert zudem: „Es ist auch kostengünstiger. Billiger können Sie nicht zur Lösung eines Problems kommen.“

Seit 1990 ist der gelernte Oberleitungsmonteur Schiedsmann in Solingen, hat schon mit vielen Konfliktparteien zusammengesessen. Für ihn ist es jedes Mal eine schöne Entwicklung, wenn zerstrittene Nachbarn irgendwann eine Einigung finden. Er erinnert sich, dass erst kürzlich zwei Männer, noch während er das Protokoll aufsetzte, einander schon wieder Hilfe anboten. „Wenn Sie das hören, dann denken Sie, es hat sich gelohnt.“

Das sieht Markus Griebenow, Obmann der Wuppertaler Schiedsleute und Schiedsmann in Cronenberg, ähnlich: „Wenn ich anfangs sehe, über was die Parteien streiten, und dann sehe, wie die sich einigen, das macht schon Spaß.“ Er ist seit sieben Jahren Schiedsmann: „Man hat mich irgendwann mal angesprochen.“ Er hat nach und nach alle Schulungen zu dem Thema durchlaufen, gibt nach Fortbildungen sein Wissen an andere Schiedsleute weiter.

Im Durchschnitt bearbeitet er zwei Fälle pro Woche. Und vermeidet „Tür-und-Angel-Fälle“. Das sind die, bei denen jemand spontan Hilfe möchte. Die bekommt er auch, aber der Fall wird nicht aktenkundig. Griebenow bittet lieber darum, das Problem schriftlich zu schildern. Und lädt dann beide Parteien zur Verhandlung ins Bürgerbüro Cronenberg. „Einige machen das in ihrer Wohnung“, erzählt er. Aber er zieht einen neutralen Ort vor.

Bei einer Einigung wird eine Vergleich geschlossen

Ihm ist wichtig, beiden Seiten unvoreingenommen gegenüber zu sitzen: „Es ist nicht immer der Antragsgegner der Böse.“ Er hört sich beide Seiten an, sagt auch schon mal seine Meinung. Und versucht, mit den Streitenden eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Herbert Gerbig sagt: „Das ist das Gute: Die Beteiligten können vernünftig miteinander reden.“ Vor Gericht finde das nicht mehr statt. „Vor der Schiedsperson entscheiden die Parteien selbst.“

Die beiden Schiedsmänner sprechen von einer Einigungsquote von 60 bis 95 Prozent. Griebenow berichtet, dass manche Streithähne nur kommen, um eine „Erfolglosigkeitsbescheinigung“ zu erhalten. Denn bei Nachbarschaftsstreiten nimmt das Gericht Klagen nur an, wenn zuvor ein Einigungsversuch bei einer Schiedsperson stattgefunden hat. Doch auch in solchen Fällen habe er schon Einigungen erreicht. „Nach einer halben Stunde Gespräch kommt oft der wahre Hintergrund des Streits heraus“, erzählt er. Dann lasse sich auch auch eine Klärung herbeiführen.

Die Einigung wird dann als Vergleich festgehalten, von beiden Seiten unterschrieben und bei Gericht hinterlegt. „Das gilt für 30 Jahre“, so Herbert Gerbig. Hält sich eine Partei nicht an die Einigung, kann sich die andere vor Gericht darauf berufen. Einige man sich bei einer kleinen Strafsache, könne der Beschuldigte auch nicht mehr bestraft werden.

Markus Griebenow wie Herbert Gerbig bedauern, dass das Schiedsverfahren zu wenig bekannt sei. Durch mehr Schiedsverhandlungen könnten die Gerichte entlastet werden. Weil viele eine Rechtsschutzversicherung haben, sei die Hemmschwelle gesunken, einen Anwalt zu beauftragen, glaubt Herbert Gerbig. Er wünscht sich zudem, dass zum Beispiel die Polizei häufiger auf diese Möglichkeit verweist.

Herbert Gerbig sagt, die Zahl der Verhandlungen sei mit den Jahren zurückgegangen. Deshalb seien vor zwei Jahren auch die 26 Schiedsbezirke zu zwölf zusammengelegt worden. Heute betreut ein Schiedsmann oder eine Schiedsfrau jeweils einen Bereich, der einem Stadtbezirk entspricht. Er sei skeptisch gewesen, sagt Gerbig, aber es habe sich als sinnvoll erwiesen, sagt er heute. Sonst hätten die Schiedsleute zu wenig zu tun.