offen gesagt Stresstest für den Föderalismus
Wuppertal · Wuppertal ist im Krisenmodus. Das Leben in der Stadt steht weitestgehend still. Kindergärten, Schulen, Spielplätze geschlossen, das Kultur- und das Nachtleben machen Pause.
Freizeit findet in den eigenen vier Wänden statt, im Garten oder in Kleinstgruppen in Parks und Anlagen. Das ist nicht das Wuppertal, das alle Wuppertaler kennen und lieben. Das ist eine andere Stadt, eine Stadt wie jede andere in diesen Tagen. Dennoch sollte Wuppertal sich von allen anderen unterscheiden. „Abstand zu wahren, ist solidarisch“, sagt Oberbürgermeister Andreas Mucke zwar und hat recht damit. Aber Abstand zu wahren, ist nicht gleichbedeutend damit, Desinteresse zu zeigen. Diese Stadt war immer dann am stärksten, wenn ihre Bürger zusammenstanden. Das war so, als aus dem Garnichts eine Junior Uni entstand, das war so, als aus dem Nichts die Nordbahntrasse wurde, das war so, als 2015 Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten Zuflucht suchten. Wuppertal hat immer funktioniert, und Wuppertal funktioniert auch in der gegenwärtigen Krisenzeit. Der Alltag ist zwar gespenstisch, weil das beredte Treiben auf den Straßen zwischen Vohwinkel und Beyenburg fast zum Erliegen gekommen ist. Aber hinter den Kulissen hat sich die Stadtgesellschaft längst wieder formiert. Es ist kein Zufall, dass der Ring junger Politiker eine Kümmerplattform für Senioren und Alleinstehende ins Werk gesetzt hat. Es ist auch kein Zufall, dass medizinische Einrichtungen funktionieren und Polizei sowie städtischer Ordnungsdienst erfolgreich darum bemüht sind, dass im öffentlichen Raum alles mit rechten Dingen zugeht. Wuppertal mag still stehen, aber das macht Wuppertal mit all der Achtsamkeit, die in schwierigsten Zeiten wichtig ist.
Umso notwendiger ist, dass sich dieser konstruktive Umgang mit der größten Krise der Nachkriegszeit auch in übergeordneten Behörden herumspricht. Denn gesellschaftliche Professionalität und die behördliche Organisation des Alltags gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn eine Stadt ihre Kindergärten schließt, kann sie aber keine Gebühren der Eltern erwarten. Wenn Unternehmen aus pandemischen Gründen ihre Arbeit einstellen müssen, machen sie keine Gewinne, bezahlen mithin auch keine Gewerbesteuer. Die Rückerstattung von Gebühren und niedrigere Steuereinnahmen werden Wuppertal in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Davon ist bisher aber weder beim Land NRW noch beim Bund die Rede. Es droht also ein Millionenloch, mit dem die Stadt sich plagen kann, wenn dieses verfluchte Virus von Wissenschaftlern und Pharmazeuten längst besiegt ist.
Es ist deshalb jetzt schon an der Zeit, dass alle politischen Mandatsträger in Wuppertal ihr Gewicht in die Waagschale werfen und der Landesregierung signalisieren, dass es diesmal nicht wieder so sein kann, dass NRW seine Kommunen kostenträchtig bevormundet und versäumt, die Rechnung dafür zu begleichen. Leider sieht es danach bisher nicht aus. Der Wuppertaler SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh hat bis Donnerstag gebraucht, sich überhaupt einmal mit dem Thema Coronakrise und Auswirkung auf die Stadt zu beschäftigen, die ihn nach Berlin geschickt hat. Von Lindhs CDU-Kollegen Jürgen Hardt ist nur zu hören gewesen, dass er sich in Quarantäne begeben hat, und von Manfred Todtenhausen (FDP) noch nicht einmal das. Erschwerend kommt hinzu, dass Wuppertals CDU seit Monaten ein Bild des Jammers abgibt und in ihrem aktuellen Zustand nicht einmal von den Linken ernst genommen wird.
So spricht vieles dafür, dass es kommen wird, wie es bisher immer gekommen ist: Wuppertal bleibt auf seinen Kosten sitzen. Nach der Coronakrise kommt die nächste Finanzkrise, weil Mandatsträger ihre Arbeit nicht machen und der Föderalismus einen Stresstest wieder einmal nicht bestanden hat.