Studierende werden zu Autoren

Die zweite Ausgabe des Magazins für neue Literatur der Bergischen Universität „Neolith“ liegt vor. 25 Texte zum Thema „Dèja-vu“.

Foto: Stefan Fries

Eine professionelle Literaturzeitschrift an der Wuppertaler Universität? „An diesem Ziel arbeiten sollte man schon, aber im Zweifelsfall würde ich mich gegen Professionalität entscheiden, weil es mir darum geht, Studierende ans Schreiben heranzuführen“, sagt Stefan Neumann, Begründer von „Neolith“, Magazin für neue Literatur an der Bergischen Universität Wuppertal, und ebendort Studienrat für Germanistik und Didaktik der deutschen Sprache und Literatur. Nach der Premiere vor ziemlich genau einem Jahr liegt nun Band zwei vor. Thema des 113 Seiten starken Bändchens: „Déjà-vu“. Wie beim ersten Mal wurden 300 Stück aufgelegt, aber im Unterschied zu damals sind diese bereits fast ausverkauft, bald muss nachgedruckt werden. „Ja, das Magazin hat sich etabliert“, freut sich Neumann. Dazu gehört auch, dass es diesmal von Kunststudenten gestaltet wurde, professioneller aussieht als sein Vorgänger.

Der Name „Neolith“ erinnert an seinen Vorgänger „Leonid“ und an die Jungsteinzeit (Neolithikum; 5000 v. Chr.), als die Menschen sesshaft wurden — wichtige Voraussetzung für Lesen und Schreiben. Während „Leonid“ einfach entschlief, weil seine Macher fast ausschließlich Studierende waren, die naturgemäß irgendwann die Uni verließen, soll „Neolith“ das nicht passieren. Die vier- bis sechsköpfige Redaktion geht aus einer für Hochschulangehörige offenen Schreibgruppe hervor, hat in Neumann und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter und Lyriker Matthias Rürup eine Stammbesetzung wider die Fluktuation. Sie bildet sich jedes Jahr — vor den Semesterferien im Sommer — neu. Auch jetzt, so Neumann, sind wieder zwei Neue dabei. Die Arbeit ist zeitintensiv. „Das ist schon ein langwieriger Prozess“, der an das Vorgehen der berühmten Gruppe 47 erinnert. Alle sind stimmberechtigt, lesen alle eingereichten Texte, sprechen diese untereinander und hernach mit den ausgewählten Autoren durch. „Dabei kann es um Zeichensetzung gehen, aber auch um Textoptimierung“, erklärt der Germanist. Da wundert es nicht, dass der angestrebte Erscheinungstermin zu Semesterbeginn bislang nicht eingehalten werden konnte.

Die 25 Texte — Kurzgeschichten und Gedichte —, die es in das kleine Bändchen geschafft haben, mussten keine formalen Kriterien erfüllen, gerne hätte Neumann auch journalistische Texte genommen. „Das Déjà-vu“, das Wiederautauchen, Wiedersehen wird im Alltäglichen und Konkreten geschildert, aber auch im Abstrakten oder Absurden. „Die Varianz ist gewollt“, sagt Neumann. Gewollt ist auch die Mischung der Autorenschaft aus Studierenden, Dozierenden, ehemaligen Studierenden und Vertretern der Wuppertaler Literaturszene, mit der Rürup (der drei Gedichte beisteuert) eng verzahnt ist.

Das Mengenverhältnis Studierende zu Nichtstudierenden liegt bei etwa 50:50.

Zwar steuert Stefan Neumann keine eigenen Texte bei, seine Liebe zur Literatur aber liegt „Neolith“ zugrunde. Außerdem will er den Studierenden ein Experimentierfeld bieten, auf dem sie sich ausprobieren können, ohne reüssieren zu müssen, auf dem sie eigene Fertigkeiten kennenlernen und für sich das kulturelle Leben entdecken: „Durch das Internet und die verschulten Studiengänge wird die Uni zum Durchlauferhitzer, geht als geistige Heimat verloren“, beklagt Neumann und wirbt für die Mitarbeit. Zwar könne wohl niemand dadurch berühmt werden, aber man könne viel über sich erfahren, sich verzahnen und auch professionelle Arbeitsweisen lernen, „egal wofür man das mal später braucht“. Für die Profis ist das Projekt als weitere Publikationsmöglichkeit interessant, die zudem im Kontext mit jüngerer und neuerer Literatur stattfindet. Und, so Neumann, „hier können sie sich mit anderen Autoren messen“.

Klar ist das drei Euro preiswerte „Neolith“ nicht kostendeckend und auf Sponsoren sowie unentgeltliche Mitarbeit angewiesen. Die Macher jedenfalls glauben nach guter Resonanz auf Band 1 an eine Zukunft und legen den Titel von Band 3 bereits fest. Er lautet „Unisex“ — in all seiner Vieldeutigkeit.