Offen gesagt Sympathisch statt politisch
Wuppertal. Zugegeben, das erste Jahr ist noch nicht um. Aber in 17 Tagen jährt sich zumindest das Datum, an dem Andreas Mucke die Wahl zum Oberbürgermeister dieser Stadt gewonnnen und den Christdemokraten Peter Jung aus dem Amt gejagt hat.
Normalerweise wären die letzten 17 Tage vermutlich auch noch ohne Zwischenbilanz über die Bühne gegangen. Aber ein Ereignis in dieser Woche macht es notwendig, sich die ersten 348 Tage Wuppertals in der Ära Andreas Mucke einmal näher anzuschauen.
Am vergangenen Montag nämlich bekam die skandalumwitterte Justizvollzugsanstalt Ronsdorf eine neue Leiterin. Dass alle Anwesenden Karin Lammel inständig Glück wünschten und sicher auch immer noch die Daumen drücken, hat nicht zuletzt mit der Geschichte dieser Einrichtung zu tun. Sie wurde vor fünf Jahren eingeweiht, um die Jugendgefängnisse des Landes zu entlasten.
Doch das Gefängnis erwies sich in den ersten Jahren seines Bestehens vielmehr als Belastung, als Last für den Strafvollzug, für die Justiz, für die Menschen, die dort arbeiten, für die Menschen, die dort auf ein gesellschaftskompatibles Leben in Freiheit vorbereitet werden sollen — und als Last für die Anwohner, für den Ruf Wupperals. Selbstmorde von Gefangenen, der Selbstmord einer Beschäftigten, Gerüchte um Übergriffe von Wärtern auf Gefangene, Übergriffe von Gefangenen auf Mithäftlinge, die Tötung eines Häftlings durch einen Häftling und zuletzt auch noch 1000 bisher spurlos verschwundene Schuss Munition: Das alles ist reichlich Grund, Karin Lammel und Wuppertal die Daumen zu drücken. Und es ist Grund genug, als Stadt Wuppertal dem Land Nordrhein-Westfalen zu bedeuten, dass die Stadt konstruktiv, aber auch kritisch auf das schaut, was im Gemäuer an der Parkstraße geschieht. Also ist es ein Pflichttermin für einen Oberbürgermeister.
Die Grußworte der Stadt hat am vergangenen Montag die honorige Bürgermeisterin Maria Schürmann (CDU) überbracht. Mucke hatte Termine — in diesem Fall war es unter anderem die allwöchentliche Pressekonferenz im Rathaus, in der die Stadtspitze vorträgt, was sie gern gesendet und geschrieben hätte.
Das ist schlecht für einen Mann, der angetreten ist, anders als es sein Vorgänger vermeintlich tat, als politischer Oberbürgermeister aufzutreten. Es ist schlecht für einen Oberbürgermeister, der angetreten ist, im Sinne seiner Wuppertaler zu wirken und zu handeln. Es ist schlecht für den wichtigsten Vertreter der Stadt, wenn er seine Stadt und ihre Menschen in wichtigen Terminen nicht vertritt.
Andreas Mucke hat es freilich nicht leicht: im Rathaus rote Dezernenten, denen es egal ist, wer unter ihnen den Oberbürgermeister mimt, im Stadtrat eine SPD-Fraktion, die sich an allem orientiert, außer an der allerdings noch wenig bis gar nicht erkennbaren politischen Agenda ihres Oberbürgermeisters.
Bisher glänzte Andreas Mucke als freundlicher Kollege in Orange bei den Müllwerkern auf Korzert, er kutschierte den NRW-Minister und Genossen Michael Groschek versiert im Velo-Taxi über die Nordbahntrasse, und am Tage der Amtseinführung von Karin Lammel in der JVA-Ronsdorf half er dem Wuppertaler SV abends fernsehgerecht im Spiel gegen Alemannia Aachen als Balljunge aus.
All das mag sympathisch sein, politisch ist es nicht. Und es ist auch nicht das, wofür so viele Wuppertaler Mucke gewählt haben. Daran wird sich in den nächsten 17 Tagen nicht viel ändern. Danach kommen aber noch vier Jahre, in denen er es besser machen kann.