15 Jahre nach dem 11. September 2001 Birgitta Radermacher zu 9/11: „In unserem Land badet man nicht im Blut des Anderen“
Wie hat sich die Polizeiarbeit in Deutschland nach dem 11. September 2001 verändert? Ein Gespräch mit Birgitta Radermacher, der Polizeipräsidentin für Wuppertal-Solingen-Remscheid.
Wuppertal. Der 11. September 2001 hat die Welt verändert. Die Anschläge der Terrorgruppe Al-Kaida auf die Türme des World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington halten die Sicherheitsbehörden seither in Atem. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt die Präsidentin der Kreispolizeibehörde Wuppertal-Solingen-Remscheid, Birgitta Radermacher (60), warum heute gezielt junge Leute mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst gesucht werden und warum Gebäudeschutz eine immer größere Rolle spielt.
Frau Radermacher, was hat sich durch den 11. September für die Polizei in Deutschland verändert?
Birgitta Radermacher: Die Kommunikation. Nach den Anschlägen hat sich die Kommunikation mit dem Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum deutlich verbessert.
Wer ist darin organisiert?
Radermacher: Es handelt sich um eine gemeinsame Kooperations- und Kommunikationsplattform von 40 nationalen Behörden aus dem Bereich der Inneren Sicherheit — unter anderem um das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundesanwaltschaft und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Wie oft tagt dieses Zentrum?
Radermacher: Täglich. Mitteilungen werden zum Teil allerdings verschlüsselt weitergegeben.
Wieso das?
Radermacher: Aus Gründen des Datenschutzes. Das macht ihre Arbeit unter Umständen aber nicht einfacher.
Geht der Datenschutz aus Ihrer Sicht da zu weit?
Radermacher: In der Praxis würde ich mir schon wünschen, dass wir offen über Fakten reden können. Wir überlegen derzeit, ob wir in den einzelnen Städten Fallkonferenzen organisieren können. Aber auch das ist eine Frage des Datenschutzes.
Also zu viel Datenschutz?
Radermacher: Nein, das will ich nicht sagen. Aber bei der Telefondatenspeicherung beispielsweise frage ich mich, ob das nicht generell für drei Monate möglich sein müsste. Nur das Speichern, nicht das Auswerten. Die Auswertung erfordert erst noch einen richterlichen Beschluss.
Ist die Polizei für die neuen Herausforderung seit den Anschlägen von 2001 genügend ausgerüstet?
Radermacher: Ja, daran wird permanent gearbeitet. Ich erinnere nur an die 10 000 Schutzwesten, die für die Polizei in NRW angeschafft worden sind. Und auch auf anderen Gebieten bessern wir nach.
Wo zum Beispiel?
Radermacher: Wir haben mittlerweile ein Cybercrime-Centrum mit Experten, die auf Internet-Kriminalität spezialisiert sind. Dort tummeln sich unsere Kunden ja auch. Demnächst werden wir in unserer Behörde erstmals Informatiker beschäftigen, um unsere Arbeit auf diesem Gebiet weiter zu entwickeln. Da sind wir schon auf der Höhe der Zeit.
Wirken sich die veränderten Anforderungen auch an andern Stellen auf Ihre Personalpolitik aus?
Radermacher: Ja, wir suchen heute gezielt auch nach Bewerbern mit Migrationshintergrund, die mehrsprachig sind. Und wir schulen interkulturelle Kompetenz.
Was hat sich an der Alltagsarbeit geändert?
Radermacher: Alle Polizeibeamten sind in einem hohen Maße sensibilisiert. Darüber hinaus neu ist unter anderem der Objektschutz verstärkt worden. Wir schützen in Wuppertal-Barmen die Bergische Synagoge und nun auch türkische Einrichtungen.
Warum das?
Radermacher: Wegen der Drohungen aus der Türkei gegen Anhänger der Gülen-Bewegung, die ich hier jetzt nicht bewerten will. Aber in unserem Land badet man nicht im Blut des Anderen.
Würden Sie sagen, dass Deutschland nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und den Konsequenzen daraus sicherer geworden ist?
Radermacher: Ob es sicherer geworden ist, weiß ich nicht. Ich denke aber, es ist nicht unsicherer geworden.