Was bedeutet Tanz für Sie?
Interview Alistair Spalding: „Es ist wichtig, dass einer am Ende entscheidet“
Wuppertal · Interview Der Leiter des Sadler’s Wells Theatre ist eng mit dem Tanztheater Pina Bausch verbunden. Sein Rat ist in Wuppertal gefragt.
Alistair Spalding und das Sadler‘s Wells Theatre, dessen künstlerischer Direktor und Geschäftsführer er ist, sind seit vielen Jahren eng mit dem Tanztheater Pina Bausch verbunden. So spielt Spalding auch bei der aktuellen Neustrukturierung eine Rolle und ist Kooperationspartner der beiden neuen Stücke („Seit sie“ und „Neues Stück 2“), die gerade in London gefeiert wurden. Im Gespräch mit der WZ erzählt er von der besonderen Beziehung der beiden Theater, was er sich für das Tanztheater wünscht und wie er Pina Bausch sieht.
Alistair Spalding: Seit 30 Jahren ist er meine Kunstform. Tanz drückt etwas aus, das man mit keiner anderen auf Sprachen basierten Kunstform ausdrücken kann. Er ist sehr offen. Man kann alles machen. Es gibt viele verschiedene Stile, Arbeitsweisen. Jedes Mal, wenn ich im Theater Tanz beobachte, geschieht etwas Unerwartetes.
Gibt es nationale Unterschiede beim Tanz?
Spalding: Tanz ist international. Aber jeder Ort hat seine eigene Qualität. Wenn zum Beispiel eine Compagnie von Taiwan kommt, dann bringt sie die Sprache von Tai Chi im Training und der Qualität ihrer Bewegung mit, das Denken ist auch anders. Tanz in Großbritannien ist traditionell mehr durch Amerika beeinflusst, während die deutschen und französischen Traditionen generell eher konzeptionell sind. Sicher sind das Verallgemeinerungen, aber die kulturelle Herkunft führt zu Unterschieden.
Sie kannten Pina Bausch. Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie sie zuerst trafen?
Spalding: Ich denke, es war, als sie mit der Compagnie in London war. Ein Jahr, bevor ich 2004 zum Sadler’s kam. Ich wurde zur Aufführung und der Party danach eingeladen und ihr vorgestellt. Mit der Zeit lernten wir uns richtig gut kennen.
Welche Bedeutung hat Pina Bausch für den Tanz?
Spalding: Immer wieder kommt ein Künstler und verändert alles. Igor Strawinsky machte das in der Musik, Pina Bausch beim Tanz. Ihre Mischung aus Theater, Tanz, gesprochenem Wort und Musik war eine neue Aufführungsart. Sie erfand ein neues Tanztheater. Ihr Einfluss ist überall zu spüren. Es war ein entscheidender Wendepunkt, als sie in den 70er Jahren begann, ihre Stücke zu erschaffen.
Das Sadler’s Wells arbeitet seit vielen Jahren mit dem Tanztheater Pina Bausch zusammen.
Spalding: Wir sind das Zuhause des Tanztheaters in Großbritannien. Wir sind wie eine Familie. Es sagt selbst, es käme nach Hause, wenn es nach London kommt. Wir kennen uns alle sehr gut. Es ist eine sehr enge, sehr spezielle Verbindung in jeder Hinsicht. Pina war Teil dessen. Mit ihr Zeit zu verbringen, wenn sie in London war, war sehr wichtig für mich.
Sie gehören einem Expertenteam an, das sich seit letztem Jahr um die Neustrukturierung des Tanztheaters kommen soll.
Spalding: Ich war tatsächlich eine Zeit lang Berater des Tanztheaters, nachdem Pina gestorben war. Die Stadt hat mittlerweile ein neues Management eingesetzt. Ich werde weiter beraten, weil es jetzt um die Zeit bis zur Einrichtung des neuen Tanz-Zentrums in Wuppertal geht. Es geht darum, was mit der Compagnie passiert, worauf es seinen Fokus legt, wie viel Repertoire und wie viel neue Arbeiten aufgeführt werden sollen. Ich habe dabei weniger eine offizielle Rolle.
Bei Sadler’s sind Sie künstlerischer und Geschäftsführer in einem – im Tanztheater sind die beiden Funktionen zwischen Bettina Wagner-Bergelt und Roger Christmann aufgeteilt. Was ist besser?
Spalding: Die Verteilung auf zwei Personen funktioniert, wenn sie gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Dann ist es besser, wenn sich einer auf die künstlerische und ein anderer auf die kaufmännische Seite konzentrieren kann. Die künstlerische Leitung sollte Kopf der Organisation sein. Es gibt nicht viele Menschen, die beides können. Ich mache auch nicht alles allein, ich habe ein gutes Team. Wichtig ist, dass klar ist, wer der Leiter ist und am Ende entscheidet.
2015 waren Sie beteiligt, als das Tanztheater erstmals einen dreiteiligen Abend aufführte, der nicht von Pina Bausch stammte. Wie ist die Aufführung einzuordnen, auch im Hinblick auf die beiden Uraufführungen der letzten Spielzeit?
Spalding: Das war ein erster Schritt im Prozess, neue Stücke und Arbeitsweisen mit der Compagnie einzuführen. Es war für Wuppertal gedacht, nicht für Gastspiele. In dieser Hinsicht war es ein Signal für die Zukunft, in Vorbereitung auf die beiden neuen Stücke, die letztes Jahr Premiere hatten, die höhere Anforderungen erfüllen und zur Zeit auf Gastspieltour sind.
Gerade gastierte das Tanztheater mit den beiden neuen Stücken in London. Wie war es?
Spalding: Es war großartig. Das erste Mal, dass es in London ein Stück ohne Pina Bausch aufführte. Die Choreographen, Dimitris Papaioannou and Alan Lucien Øyen, arbeiten unterschiedlich, jeder hat eine ganz spezielle Art. Aber beide schlagen eine Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft, gehen respektvoll mit der Geschichte der Compagnie und Pina um. Die Kritiken waren nicht nur gut, aber insgesamt waren die Menschen mit der neuen Richtung sehr glücklich. Und alle kamen – es war ausverkauft.
Was wünschen Sie dem Tanztheater für die Zukunft?
Spalding: Dass es einen Weg findet, das Repertoire weiterhin im besten Sinne zu repräsentieren. Keine einfache Aufgabe, weil es Umgestaltung, neue Tänzer, Wissens-Weitergabe bedeutet – aber es ist wichtig, dass wir die wunderbaren Arbeiten von Pina Bausch weiter sehen können. Gleichzeitig müssen vor allem die jüngeren Tänzer mit anderen Choreographen arbeiten, Anregungen erhalten, Erfahrungen sammeln. In den nächsten Jahren ist das Pina Bausch-Zentrum sehr wichtig, für das alle zusammenkommen müssen, um hier einen ganz speziellen Platz, ein Kunstforum für Hervorbringung, Studium und Präsentation von Tanz in Deutschland zu schaffen.