Prozess Fast acht Jahre Haft nach Explosion an Lenneper Straße
Richter sieht beim Angeklagten „bedingten Tötungsvorsatz“. Der 54-Jährige hatte die Tat im Prozess zugegeben.
Im Prozess um die Explosion eines Mehrfamilienhauses an der Lenneper Straße ist der 54-jährige Angeklagte am Montag zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Nach Ansicht der 5. Strafkammer des Landgerichts hat sich der ehemalige Hausbewohner Volker N. des versuchten Mordes in 20 Fällen, des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, der besonders schweren Brandstiftung und der Körperverletzung in vier Fällen schuldig gemacht.
Bei der Gasexplosion vom 23. Juni 2018 war das Haus, in dem 22 Menschen gelebt hatten, kurz vor Mitternacht zerstört worden. Der Sachschaden liegt bei rund 1,6 Millionen Euro. Der 54-jährige Angeklagte hatte die Tat im Prozess über seinen Anwalt gestanden und erklärt, er habe sich durch das ausströmende Gas vergiften wollen, weil er von seiner zweiten Ehefrau verlassen worden war. Deshalb habe er eine Leitung zu seinem Gasofen gelöst, so dass Gas ausströmen konnte. Im Anschluss an die Manipulation sei der zum Tatzeitpunkt betrunkene Mann auf seinem Sofa eingeschlafen. Nach dem Aufwachen habe er sich dann eine Zigarette angezündet, wodurch es aufgrund des ausgetretenen Gases zu der Explosion kam. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte noch etwa 2,25 Promille im Blut.
Der Angeklagte habe in Kauf genommen, andere zu töten
Fünf Personen – darunter auch der spätere Angeklagte - erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen. Ein Mieter wurde durch den Druck der Explosion aus dem Haus geschleudert und so schwer verletzt, dass er jetzt ein Pflegefall ist, erklärte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung (AZ.: 25 Ks 10/18). An das Schicksal der Verletzten, aber auch die „traumatischen Erlebnisse“ aller Bewohner, erinnerte in seinen Ausführungen. Es sei nur „Glück und Zufall“ gewesen, „dass das nicht schlimmer geendet“ sei.
Insofern habe der Angeklagte auch mit einem „bedingten Tötungsvorsatz“ gehandelt, erklärte der Richter. Er habe billigend in Kauf genommen, dass aufgrund seiner selbstmörderischen Absichten auch andere Menschen zu Schaden kommen. Dass er nur sich durch das ausströmende Gas vergiften wollte, bezeichnete der Richter als „nicht glaubhaft“. Zudem sei der Zeitpunkt der Explosion in der Nacht gewesen – also zu einem Zeitpunkt, als die meisten Bewohner des Hauses anwesend waren. Die Strafkammer ging in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Angeklagte durchaus mit einem „Knalleffekt“ aus dem Leben scheiden wollte.
Gleichwohl fand das Gericht auch Aspekte für eine Strafmilderung. So hat der 54-Jährige eine gewalttätige Kindheit erlebt, verfügt über keine reguläre Ausbildung und ist seit Jahrzehnten alkoholabhängig. Zudem ist er nicht vorbestraft. Volker N. wurde von Nachbarn als ausgeglichen, friedfertig und angenehm bezeichnet. Allerdings verschlechterte sich die persönliche Lage des Angeklagten, weil Anfang 2018 seine Beschäftigung in einer gemeinnützigen Einrichtung endete.
Dadurch sei das Trinkverhalten von Volker N. „exzessiv“ geworden, sagte der Richter. Hinzu kamen Probleme mit der Ehefrau, die dann in deren Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mündeten. Nach der Trennung musste N. zudem drei Mal zur psychiatrischen Behandlung in die Stiftung Tannenhof. Als sich die Hoffnung auf die Rückkehr der Ehefrau zerschlagen habe, geriet Volker N. aufgrund seines psychisch labilen Zustandes in „eine Impulsivität, die er nicht mehr kontrollieren konnte“, erklärte der Richter.
Sowohl Anklage wie auch Verteidigung zeigten sich mit dem Urteil zufrieden und erklärten den Verzicht auf eine Revision. Die Strafkammer blieb mit dem Urteil deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren gefordert hatte.