Betroffene berichten Tornado schockt Anwohner in Wuppertal: "Das war richtig heftig"
Wuppertal · Plötzlich ist ein Tornado über den Wuppertaler Dönberg gefegt. Dächer wurden abgedeckt, Bäume kippten um. Anwohner berichten von einem einschneidenden Erlebnis.
Auf dem Wuppertaler Dönberg ist es zu einem seltenen Wetterphänomen gekommen: Am Mittwochabend hat sich gegen 20.15 Uhr bei schweren Windböen ein sichtbarer Tornado gebildet, also ein Luftwirbel mit enormer Kraft, der sich vom Boden bis zur Wolkengrenze erstreckt. Der Wirbelsturm hat dafür gesorgt, dass im Bereich Eggenbruch, Horather Straße und Prinzberger Weg Dachziegel an Wohngebäuden und Gartenmöbel angehoben und durch die Luft getragen worden sind. Auch Sträucher hat der heftige Wind angehoben, wie Fotos und Videos von dem Ereignis zeigen. Einzelne Gärten wurden verwüstet. Am Prinzberger Weg sind fünf Bäume umgestürzt – in mindestens einem Fall fielen sie in einen privaten Garten. Feuerwehr und Ordnungsamt waren vor Ort. Verletzt wurde nach Angaben der Behörden zum Glück niemand.
Für die Anwohner war der Wirbelsturm trotzdem ein einschneidendes Erlebnis. Anwohner Jürgen Köntgen berichtete der WZ, dass eine riesige Druckwelle das Haus erschütterte: „Das war richtig heftig, sowas habe ich noch nicht erlebt. Hier sind teilweise die Dächer weggeflogen.“ Lothar Schmiegel wohnt am Eggenbruch, schaute aus dem Wohnzimmerfenster, als die Büsche im Garten sich beinahe lösten: „Habe noch zu meiner Frau gerufen, die Büsche fliegen gleich weg. Das war nur einen Augenblick und dann sind einige Dachpfannen von unserem Haus geflogen.“
Familie Pletz vom Lohbusch hat die Windhose auch gesehen: „Es war erst ganz still, dann plötzlich kam aus dem Nichts der Wind“, erzählt Dietmar Pletz. Sein Sohn Hendrik Pletz zeigt durch das Wohnzimmerfenster: „Die Blätter flogen horizontal.“ Dann habe er die Windhose gesehen, „direkt hinter dem Baum da. Ich dachte erst, das sei Rauch.“ Der kleine Marti (6) meldet sich vom Sofa: „Das war ein Tornado!“ Seine Großmutter Ulrike Pletz war im ersten Stock, hörte es rumpeln, „als wenn ein Lkw Steine ablädt“, sagt sie. Sie sah die dunklen Wolken und dann auch die Windhose. „Die blieb ganz schön lange stehen“, findet sie. Dann sei sie über die Felder gezogen. Zum Glück sei an ihrem Haus nichts kaputt gegangen.
Am Nachbarhaus sind Renate Presser einige Blumentöpfe von der Fensterbank gefallen. Der Lärm und die dunklen Wolken haben die Seniorin beunruhigt: „Das war ganz furchtbar.“ Bernd Kaldenhoven wohnt mit seiner Familie den Hang hinunter. Er hat den Winddruck auf der Terrassentür gesehen: „Die Scheibe hat sich bewegt.“ Seine zwölfjährige Tochter habe von oben gerufen: „Papa, da ist ’was Komisches.“ Von ihrem Fenster konnte er die Windhose sehen: „Auf dem Feld hat es sich gekringelt. So etwas habe ich noch nie gesehen.“
Stärkere Auswirkungen erlebte das Ehepaar Gusewski, das am Prinzberger Weg Landwirtschaft betreibt, denn fast vor ihrer Tür stürzten mehrere Bäume um, die die Feuerwehr in der Nacht noch vom Feldweg räumte. „Da unten liegen noch mehr“, sagt Frank Gusewski, zeigt auf den unteren Rand seiner Weide. Welcher Schaden da entstanden ist, müssten sie noch untersuchen. Er selbst hat den Tornado nicht gesehen, war noch auf dem Heimweg.
Seine Frau dagegen war auf dem Hof. Zehn Minuten vorher war sie noch bei den Pferden im Stall. „Die waren unruhig, das habe ich gar nicht verstanden. Es war ja total windstill.“ Dann telefoniert sie mit ihrem Sohn, der nicht weit entfernt wohnt. Der warnte sie: „Geh bloß nicht raus, da kommt eine Windhose!“ Sie habe trotzdem nach den Tieren sehen wollen: „Mir ist ganz schlecht geworden.“ Draußen sei es schon wieder windstill gewesen, aber die Bäume waren umgeworfen. „Das finde ich viel gruseliger, dass in so kurzer Zeit so viel zerstört werden kann.“ Ihr Mann ist froh, dass die Windhose den Hof und die Tiere nicht getroffen hat.
Ein Auto wurde
stark beschädigt
Feuerwehr-Einsatzleiter Andre Güttler hat die Schäden nach der Windhose am Mittwochabend gesehen. Seine Einschätzung: „Das war schon ein besonderes Wetterereignis – da haben starke Kräfte gewirkt.“ Mindestens sechs bis acht Ein- und Mehrfamilienhäuser hätten Schaden genommen. Laut Polizei meldeten Anwohner zudem eine beschädigte Telefonleitung. Das Ordnungsamt bestätigte ein stark beschädigtes Auto an der Straße Am Hohenholz.
Der Diplom-Meteorologe Tobias Reinartz vom Deutschen Wetterdienst bestätigt anhand von Videos und Radarbildern, dass es sich um einen Tornado gehandelt hat. „Wir bezeichnen solche rotierenden Schauer- oder Gewitterzellen als Superzellen’“, sagt er. Diese Zellen können unter bestimmten Bedingungen Tornados produzieren – wenn die Luft feucht ist, die Wolken niedrig hängen und sich Windrichtung und -geschwindigkeit in den unteren drei Kilometern schnell ändern. „Diese Bedingungen waren am Mittwochabend rückseitig einer durchziehenden Kaltfront mit vorangegangenem Regen definitiv gegeben.“
In Deutschland treten jährlich etwa 50 Tornados auf, zählt der Wetterdienst, geht aber davon aus, dass die Dunkelziffer höher liegt, weil kleine und kurze Tornados oft gar nicht erst beobachtet werden. „Auf Deutschland bezogen sind Tornados also gar nicht mal so selten, wie man vielleicht annehmen mag“, sagt Tobias Reinartz. „Betrachtet man dagegen eine bestimmte Region oder sogar nur ein Stadtgebiet, handelt es sich aber durchaus um ein sehr seltenes Ereignis.“
Inwiefern der Klimawandel einen Einfluss auf Häufigkeit und Stärke von Tornados hat, werde derzeit noch erforscht, sagt der Meteorologe. Für das Wuppertaler Klimaschutzkonzept wurde das Stadtgebiet auf Gefährdungen durch Wind untersucht. Besonders die Höhen und Bereiche, in denen landwirtschaftliche Fläche und Wohnbebauung aufeinandertreffen, sind für Sturmschäden anfällig. „Schutzmaßnahmen gegen Wind sind schwierig, er ist kompliziert zu händeln“, sagt Klimaschutz-Dezernent Arno Minas. Gegen Hochwasser kann die Speicherkapazität erhöht werden, gegen Hitze helfen Grünflächen. „Bei Wind gibt es nur die Möglichkeit, die Infrastruktur zu härten“, also beispielsweise Häuser widerstandsfähiger zu bauen. „Das ist für das Stadtgebiet ein dickes Brett, das man bohren müsste.“