Toter Junge: Pannenserie bei den Ermittlungen

Vor drei Jahren fiel in der Turnhalle am Hesselnberg ein Süßwarenautomat auf einen Jungen. Der Strafprozess wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet.

Wuppertal. In einem Punkt sind sich die Prozessbeteiligten einig: Die Tragik des Unfalls am 25. Oktober 2008 im Vorraum der Turnhalle am Hesselnberg ist nicht zu überbieten. Damals kippte ein 180 Kilo schwerer Süßwarenautomat auf einen eineinhalb Jahre alten Jungen. Das Kind war laut Rechtsmedizin auf der Stelle tot.

Wie konnte dieser Unfall geschehen? Wer ist verantwortlich? Drei Jahre lang ermittelte die Staatsanwaltschaft. Zweimal stellte sie das Verfahren ein. Die Eltern des Jungen erreichten zweimal die Wiederaufnahme der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft klagte zwei Automatenaufsteller wegen fahrlässiger Tötung an. Die beiden Männer hätten nicht für die nötige Standfestigkeit des Geräts gesorgt.

Gestern der zweite Prozesstag vor dem Schöffengericht. Und einmal mehr offenbarte die Beweisaufnahme eine Serie von Ermittlungspannen. Da ist der Unglücksautomat. Das zunächst von der Kripo beschlagnahmte Gerät wurde nach der ersten Einstellung der Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft wieder freigegeben und dann verschrottet. Offenbar rechnete niemand damit, dass sich die Eltern erfolgreich wehren würden. Jetzt ist das Gericht auf eine Reihe von Fotos angewiesen. Wie die WZ erfuhr, hat die Nebenklage gegen die vorschnelle Freigabe des Beweisstücks zwischenzeitlich Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben — erfolglos, wie es hieß. Fakt ist: Die Rekonstruktion des Unglücks ist nur noch mit einem baugleichen Gerät möglich. Ob und wie das Gericht so etwas bewerten würde, ist noch völlig offen.

Zunächst muss das Gericht ohnehin mit weiteren Pannen umgehen. Wie berichtet, steht in der Anklage, dass der Automat unmittelbar vor dem tödlichen Kippen auf zwei Kanthölzern gestanden hat. Das Problem: Niemand weiß, wo diese beiden wichtigen Beweisstücke sind. Die Kripo hat sie nicht, hieß es gestern. Ein Anruf bei einem Sachverständigen hat laut Nebenklage-Anwältin Hannah Milena Piel ergeben: Dort sind die Hölzer nicht. Auch jenes Stahlseil, mit dem der Automat an der Decke befestigt gewesen sein soll, ist angeblich nicht mehr auffindbar.

Gestern dann neue Diskussionen. Eigentlich sollte der Hausmeister der Turnhalle zum Süßwarenautomaten und dessen Standfestigkeit aussagen. Rechtlich ist das nicht so einfach. Die Verteidigung sieht nämlich beim Hausmeister eine klare Verantwortlichkeit für den Automaten. Rechtsanwalt Michael Kaps im Prozess: „Der Hausmeister ist für das gefahrlose Betreten der Halle zuständig.“

Weil der Mann aus Sicht der Verteidigung somit als Beschuldigter in Frage käme, hätte er ein umfangreiches Schweigerecht. Die Staatsanwaltschaft hat den Hausmeister nie als Beschuldigten geführt. Als Zeuge soll der Mann mehrfach ausgesagt haben. Unter anderem soll er gesehen haben, wie einer der Angeklagten den Unglücksautomaten mit jenem nach dem Unglück verschwundenen Stahlseil an der Decke gesichert hat. Der Mann soll gesagt haben, dass er nur für das Gebäude, nicht aber für Sportgeräte und Mobiliar — dazu gehören auch Automaten — die Verantwortung hatte. Jetzt will das Gericht klären, welche vertraglichen Aufgaben der Hausmeister seitens der Stadt hatte. Wird er danach als Zeuge gehört? Bislang gibt es keinen Hinweis, dass sich der Mann jemals wegen mangelnder Standfestigkeit des Süßwarenautomaten bei den Aufstellern gemeldet hat.

Und: Wie berichtet, hat die Stadt als Hausherrin der Halle stets erklärt, die Verantwortung läge allein bei der Aufstellerfirma. Der Prozess wird fortgesetzt.