Wuppertal Transformationstandem: Die Nordbahntrasse schafft neue Freiräume

Beim Transformationstandem erklärten Experten, wie Kinder am Verkehr teilnehmen.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Wer denkt, Kinder erschlössen sich selbstständig die ganze Stadt, streunen herum und lernen ihre erweiterte Umgebung zu Fuß kennen, der irrt. Kinder bewegen sich heute anders als früher. „Die Kindheit hat sich verändert“, sagt Andreas Keil, Professor für Geografie an der Universität Wuppertal. „Und das hat Folgen für den Straßenverkehr — und sollte Folgen für die Verkehrserziehung haben.“

Keil war Gast beim letzten Transformationstandem „Zukunftsfähige Mobilität in Wuppertal“ in der Citykirche in Elberfeld. Er ist Experte für Verkehrsgeografie.

Die Kindheit von heute sei vor allem durch Inseln geprägt: die Schule, das Zuhause, der Verein. Diese würden Kinder vor allem als Mitfahrer erreichen, sagte Keil. Entweder im Auto der Eltern oder per ÖPNV. „Kindern wird nicht mehr zugetraut, diese Orte selbst aufzusuchen.“ Kinder lernen so nicht mehr, selbstständig am Verkehr teilzunehmen. Gleichzeitig seien sie aber intensive Teilnehmer am Straßenverkehr, wenn auch passiv. Immerhin legten Kinder zwischen 23 und 35 Kilometer am Tag zurück. 2014 seien mehr als 28 000 Kinder an Unfällen beteiligt gewesen — fast 40 Prozent im Pkw.

Keil forderte eine veränderte Verkehrserziehung und mehr Streif- und Freiräume für Kinder. Er sieht die Nordbahntrasse als gelungenes Beispiel dafür. Sie sei für viele ein potenzieller Schulweg — „Es liegen 17 Schulen in direkter Nachbarschaft zur Nordbahntrasse“ — und die Umgebung sei ein geeigneter Streifraum zum Entdecken. „Ob und wie das passiert, untersucht eine Studentin gerade in einer Doktorarbeit“, sagte Keil. Ergebnisse sollen folgen.

Kerstin Holzmann vom Ortsverein des Kinderschutzbunds, die als zweite Referentin auftrat, unterstrich Keils Forderung mit einer selbst erstellten Feldstudie. Sie hatte 26 Kinder aus dem Umfeld des Kinderschutzbunds und einer Grundschule zu ihren Verkehrsgewohnheiten befragt.

Nur fünf gingen demnach alleine zur Schule und 14 kämen nur motorisiert dorthin. Was die Nachmittage angeht, dürften sieben der Kinder gar nicht alleine nach draußen, sieben bewegten sich nur um das eigene Elternhaus. Holzmann bemängelte, was sie herausgefunden hatte: „Verkehrssicherheit lernt man nur in der Realität“, sagte sie. Zudem würden eigenständige Wege zur Schule und am Nachmittag die Ortskundigkeit fördern, die Konzentrationsfähigkeit und die Selbstsicherheit.

Die etwa 35 Zuhörer der Vorträge bemängelten vor allem den Fokus der Stadt auf den Autoverkehr. Die Umgestaltung des Döppersbergs sei eine gute Gelegenheit, das Gesamtverkehrskonzept hier zu überdenken, hieß es. „Andere Städte nehmen das ernst“, sagte eine Teilnehmerin.