Trauer um Wuppertals Botschafter
Die Stadt trauert um ihren Ehrenringträger Hans-Dietrich Genscher, der 33 Jahre im Wahlkreis Wuppertal für die FDP kandidierte.
Wuppertal. Als die Mauer an der deutsch-deutschen Grenze, die Hans-Dietrich Genscher mit seiner Rede auf dem Balkon der Prager Botschaft zum Wanken gebracht hatte, wieder offen war, da kamen sehr schnell die Rufe aus Halle. In seiner Heimatstadt sollte der damalige Außenminister für den Bundestag kandidieren. Doch Genscher blieb Wuppertal, der Wuppertaler FDP und seinem Wahlkreis treu. Von 1965 bis 1998 kandidierte er für die FDP in Wuppertal und machte das Bergische Land zu seiner politischen Wahlheimat. Die Stadt Wuppertal trauert um ihren Ehrenringträger, der im Alter von 89 Jahren verstorben ist.
Zu Genschers 80. Geburtstag am 21. März 2007 hatte die Stadt wenige Wochen später einen Empfang im Elefantenhaus des Zoos ausgerichtet. Der Ort war nicht zufällig gewählt. Genscher zählte zu den politischen Schwergewichten in der Geschichte der Bundesrepublik. Er spielte selbstironisch mit seinem Image: Große Ohren und ein gutes Gedächtnis zeichnen schließlich auch die Dickhäuter im Zoo aus.
„Wir haben ihm viel zu verdanken“, sagt Oberbürgermeister Andreas Mucke. „Gemeinsam mit vielen Menschen in Deutschland trauern wir um einen großen Staatsmann.“
In seinem Wahlkreis sammelte er für die Liberalen zweistellige Ergebnisse bei den Erststimmen ein, wurde aber trotz seiner Popularität nie direkt in den Bundestag gewählt. Das nahm er den Wuppertalern nicht übel, sondern setzte die Stadt bewusst für außenpolitische Zwecke ein.
„Die Städtepartnerschaft Wuppertals mit der slowakischen Stadt Kosice ist sein Verdienst“, sagt Ernst-Andreas Ziegler, der mit Genscher als Schirmherr 1988 den Freundschaftslauf von Wuppertal nach Kosice organisierte. „Er hat es möglich gemacht, dass wir Läufer noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs bei Furth im Wald ohne Grenzkontrollen von Bayern in die Tschechoslowakei gelaufen sind“, erinnert sich Ziegler. Auch die Städtepartnerschaft mit Liegnitz hat Hans-Dietrich Genscher auf den Weg gebracht. Liegnitz ist die Geburtsstadt seiner Ehefrau Barbara.
Dank der Initiative von Genscher als Außenminister konnte 1980 die Städtepartnerschaft mit Kosice besiegelt werden. „Dies geschah damals noch unter schwierigen Umständen, als noch niemand an ein vereintes Europa in der heutigen Dimension zu denken wagte“, würdigt Oberbürgermeister Andreas Mucke das Engagement. „Heute hat Wuppertal ganz selbstverständliche vielfältige und freundschaftliche Kontakte nach Kosice.“
Für die Wuppertaler Liberalen ist es ein Frühling des Abschieds von bedeutenden Leitfiguren. Nach Guido Westerwelle hat die FDP nun mit Hans-Dietrich Genscher eine zweite Ikone verloren. In den 1980er Jahren war Genscher mit Westerwelle im Schlepptau im Wahlkampf unterwegs. So zum Beispiel bei einem politischen Frühschoppen an einem Sonntagmorgen im Luisencafé. Dass sich Westerwelle, damals Vorsitzender der Jung-Liberalen, an dem großen Diplomaten orientierte, war unverkennbar.
„Genscher war ein Mann mit Erfahrung und politischer Weitsicht. Er hat der FDP-Landtagsfraktion immer mit Tipps und Ratschlägen zur Seite gestanden“, sagt der FDP-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Marcel Hafke. „Für die Liberalen meiner Generation war er 30, 40 Jahre die Identifikationsfigur. Er war Wuppertals größter Botschafter, denn er hat im Ausland immer wieder Bezug auf Wuppertal genommen“, sagt der FDP-Ratsfraktionsvorsitzende Alexander Schmidt. 2011 hatte Genscher beim FDP-Neujahrsempfang seinen letzten öffentlichen Auftritt in Wuppertal.