Uwe Becker hält nichts von solchen Versuchen Tuffi und Alligatoren in der Schwebebahn

Uwe Becker schreibt über die Vorteile des Ruhestands.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Vor einer Woche jährte sich Tuffis Sprung aus der Schwebebahn zum 70. Mal. Schon als kleiner Junge fand ich die Geschichte nicht schön. Heute finde ich sie nur noch langweilig. Viel spannender und interessanter finde ich, dass es damals in der Schwebebahn auch eine 1. Klasse gab. Schade, dass das nicht beibehalten wurde. Die Vorteile, die ich bei der Deutschen Bahn gerne in Anspruch nehme, könnte ich mir hier bei unserer Schwebebahn auch gut vorstellen. Beim Eintritt in die Bahn würde ich von einer freundlichen und liebreizenden Schaffnerin mit Maske begrüßt, die mich dann persönlich an meinen desinfizierten Platz bringt. Dann wird mir Kaffee, Gebäck und die Westdeutsche Zeitung gereicht. Wegen meiner Kolumne würde ich mir immer mittwochs die Fahrt in der 1. Klasse leisten.

Bei einer notwendigen Rettung auf offener Strecke würden die Fahrgäste der 1. Klasse bestimmt zuerst über die Leiter der Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Alles vorerst Wunschträume, denn zunächst muss die Schwebebahn ordentlich repariert werden. Aber eine 1. Klasse in jedem Zug würde ich mir für die Zukunft wünschen, da der Kaiserwagen wohl nicht mehr eingesetzt wird.

Der Leiter der Verkehrsabteilung der Wuppertaler Stadtwerke, der die Fahrt mit Tuffi damals genehmigte, und Zirkus-Chef Althoff wurden in einem Gerichtsverfahren wegen „fahrlässiger Transportgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Geldstrafe von 450 D-Mark verurteilt. Es gab leider einige Verletzte, weil der Elefant in der Schwebebahn mächtig randalierte. 1990 hat man, zu meiner Verwunderung, erneut in Zusammenarbeit mit einem Zoo, einen Alligator in der Schwebebahn mitfahren lassen. Dabei ist dann aber nichts passiert, weder wurde ein Fahrgast von dem Raubtier angegriffen und aufgefressen, noch stürzte das gefährliche Tier in die Wupper, was ihm aber wohl besser gefallen hätte, als dem kleinen Tuffi 40 Jahre zuvor.

Ich finde es furchtbar, wenn Tiere für solch einen Unsinn missbraucht werden. Zur Belustigung der Besucher hat man früher Schimpansen bei uns im Zoo Lederhosen angezogen und sie mussten mit Messer und Gabel essen. Die Inhaftierung der Tiere mag ja in manchen Fällen zur Arterhaltung nicht unwichtig sein, aber beim Verkleiden der Tiere hört bei mir der Spaß auf. Als Kind habe ich, das muss ich gestehen, meinem Hamster ein Papierhütchen aufgesetzt – aber Schwamm drüber. Ich bin mit unserer Hündin auch schon einige Male in der Schwebebahn gefahren. Viele Tiere wurden in über 100 Jahren sicher befördert. Wirklich zu Schaden kam wohl kein Tier, außer Tuffi halt, der bei seinem Sturz aus der Bahn lediglich eine dicke Schramme am Hintern davon trug.

Ich erinnere mich aber an ein Erlebnis aus den 1990er Jahren: Ich fuhr mit der Schwebebahn. Neben mir am Fenster stand eine junge Punkerin, mit einer kleinen Ratte auf der Schulter. Zu dieser Zeit sah man das in der Szene öfters. Ich glaube, es war ein Protest gegen Spießbürger, auf deren Schultern eher Katzen und Wellensittiche saßen. Tragischerweise stand das Fenster der Bahn auf Kipp, und das Mädchen bemerkte nicht, wie die Ratte plötzlich aus der Schwebebahn in die Wupper fiel. Beim nächsten Halt stieg das Mädchen aus. Den Verlust ihres kleinen Vierbeiners hatte sie noch nicht bemerkt. Wenn man den ganzen Tag so eine kleine Ratte auf der Schulter trägt, spürt man sie vielleicht irgendwann nicht mehr, ähnlich wie das Tragen der Maske, die habe ich oft auch noch auf der Nase, wenn ich nach Hause komme und mir im Bad die Hände wasche.