Glaube Umfrage in Wuppertal: Ist Kirche noch ein Ankerpunkt oder verliert sie ihre Relevanz? (mit Video)

Wuppertal · Wie kann Kirche in Zeiten der Krise weiterhin Ansprechpartner bleiben? Eine Befragung zeigt Potenzial.

Stadtdechant Bruno Kurth nimmt die Kirche zwar als krisenhaft wahr, setzt aber auf das Hoffnungspotenzial des Glaubens.

Stadtdechant Bruno Kurth nimmt die Kirche zwar als krisenhaft wahr, setzt aber auf das Hoffnungspotenzial des Glaubens.

Foto: Büsra Sönüksun

In einem bekannten Kirchenlied von Alois Albrecht geht es um ein Senfkorn, das Hoffnung verspricht. Weil es zum Baum heranwächst, der uns nicht nur schützt, sondern auch Früchte trägt – für alle, die in Ängsten sind. In Zeiten der Krisen hat dieses Lied wieder Aktualität erreicht. Doch zeigt es auch noch Wirkung? 2021 gab es im Erzbistum Köln, zu dem auch Wuppertal gehört, rund 19 000 Kirchenaustritte. Brauchen die Menschen die Kirche heute nicht mehr, um Halt zu finden? Und wie kann Kirche in Zeiten der Krisen weiterhin Ansprechpartner bleiben? Darüber hat die Westdeutsche Zeitung mit Mitgliedern der Gemeinde und Passanten auf dem Laurentius-platz gesprochen.

Zwischen Institution und Glaube bilden sich Diskrepanzen

„Die Tradition der Kirche, ihren Mitgliedern Halt zu geben, scheint verloren zu gehen“, sagt Ben Neusel. „Durch die Skandale hat sie einen moralischen Ballast angesammelt, den sie nur noch schwer loswird.“ Viele würden sich dadurch ihr eigenes Bild zusammenstricken, in das die Kirche als Institution nicht mehr hineinpasse. „Für mich besitzt sie nicht mehr die Relevanz, die sie einmal hatte.“ Allerdings, betont der 47-Jährige, sei das Unternehmen Kirche ja nicht nur im Glauben verwurzelt, sondern auch als Betreiber von Einrichtungen der Altenpflege oder Kliniken präsent. „Und das ist wiederum eine Aufgabe, die über die Seelsorge hinausgeht.“

Der Missbrauchsskandal mache der Kirche sehr zu schaffen, sagt Gemeindereferentin Daniela Löhr. „Wir arbeiten seit elf Jahren am Thema Prävention von sexualisierter Gewalt in der Kirchengemeinde. Dennoch können wir gar nicht so schnell Vertrauen aufbauen, wie es woanders abgebaut wird.“ Dass Menschen der Institution nicht mehr vertrauen, aber dennoch den christlichen Glauben nicht verlieren, kann Löhr gut verstehen. „Ich arbeite viel mit Familien, deren Kinder bald zur Erstkommunion gehen. Im Moment sind es 120 Familien, die sich angemeldet haben. Natürlich werden dabei auch kritische Fragen gestellt. Also darf man auch sagen: Ich glaube, aber die Institution ist mir fremd geworden.“ Gleichwohl gehöre für viele andere die Gemeinschaft zum Glauben dazu.

Wie bei Margret Bäcker. „Die Kirche hat mir beim Tod meines Mannes sehr geholfen. Dafür bin ich heute noch dankbar“, sagt die 72-Jährige. „Wenn ich in die Messe gehe oder mich einfach nur so in die Kirche setze, gibt mir das eine Befriedigung.“ Indessen könne man die Geborgenheit der Kirche „noch so gut verteidigen, viele Leute wollen das einfach nicht mehr hören. Die Nachrichten, die aus dem Erzbistum kommen, tragen leider dazu bei“. Das bemerkt auch Hans Georg Bein. Es sei schwierig, gegen die anhaltende Kritik zu bestehen. „Deshalb lasse ich mir aber nicht den Glauben nehmen“, betont der 66-Jährige. Kirche könne nur wieder Vertrauen gewinnen, „wenn sie offener auf die Menschen zugeht und diejenigen, die die Kirche als Anker aufsuchen, als adäquate Gesprächspartner annimmt“.

Das versucht die Gemeinde St. Laurentius seit einem Jahr durch die „LauBe“ im Katholischen Stadthaus gleich gegenüber der Kirche. Die Abkürzung steht für „Laurentius begegnet“. Dort engagieren sich rund 30 Ehrenamtliche Er dient auch als Lotsenpunkt für Menschen, die in Not sind oder Hilfe bei Behördengängen benötigen. „Auch, wenn Köln weit weg ist, haben wir durch das Erzbistum nicht die positive Publicity“, weiß Engagementförderin Andrea Oldenburg. „Wir müssen uns wieder stärker auf unser Gemeindeleben konzentrieren, damit die Werte nicht von Skandalen überlagert werden.“

Pfarrer Bruno Kurth sieht dies ähnlich: „Auch, wenn wir feststellen, dass sich weniger Menschen als früher engagieren, erleben diejenigen, die es tun, eine Gemeinschaft, die trägt.“ Für ihn habe der Glaube ein großes Hoffnungspotenzial. „Hoffnung ist die Kraft, die mir die Möglichkeit gibt, dass ich mich einsetze, wenn es realistisch wäre zu sagen: Das hat doch keinen Zweck.“ Natürlich könne man sich auch ohne Glauben einsetzen. „Allerdings muss ich mich dann allein auf den Menschen verlassen; und da merken wir, dass wir doch oft auf wackeligem Boden stehen.“