Unterwegs mit dem Winterdienst: Vom Schreibtisch auf den Schneepflug

Winterdienst-Mitarbeiter Ingolf Tahn hat derzeit viel zu tun und wenig Schlaf. Die WZ fuhr auf dem Streuwagen mit.

Wuppertal. Was ist das schlimmste, das einem Streuwagenfahrer passieren kann? "Glatteis. . . und Berufsverkehr." Ingolf Tahn lacht kurz und zwinkert. Seit 13 Jahren arbeitet der 48-Jährige beim Winterdienst. Eigentlich ist er mittlerweile ins Büro gewechselt, aber in diesem Rekordwinter muss Tahn nochmal ran und Zehn-Stunden-Schichten hinter dem Steuer schieben. "Viele Kollegen sind krank, da springt man dann nochmal ein", erklärt er und rückt die dunkelblaue Kappe zurecht. Dann geht es los.


Um 3.30 Uhr ist er an diesem Morgen mit seinem Streufahrzeug ausgerückt. Jetzt ist es 9.30 Uhr und Ingolf Tahn hat zum zweiten Mal aufgeladen. Dreieinhalb Tonnen Streusalz: "Das reicht für 19 Straßen."
Das Steuer in seinem Fahrzeug ist rechts - wie bei den Kehrmaschinen. Tahn lenkt, räumt den Weg frei und streut. Die Salzmenge und die Straßenbreite bestimmt er mit einer Art Fernbedienung. "Da fährt man hoch konzentriert", sagt der 48-Jährige und lenkt den schwerfälligen Laster über Schneematsch gen Cronenberg.

Er kennt seine Tour und weiß, wo es noch ein bisschen mehr Streugut sein muss. "Je mehr Autos unterwegs sind, desto schneller wirkt das Salz. Auf kaum befahrenen Nebenstraßen taut manchmal auch nichts, obwohl wir gestreut haben. Und dann hagelt es oft Kritik", sagt Ingolf Tahn und deutet auf einen Zettel.

Darauf steht eine Adresse, vor der er kein Salz streuen darf - wegen der empfindlichen Pflanzen im Garten. Wirklich ungemütlich aber wird es für die Männer vom Winterdienst, wenn liegen gebliebene Fahrzeuge den Weg blockieren. "Am schlimmsten ist es, wenn wir den Lastwagen oder Bussen den Weg mit der Hand frei streuen müssen. Dann geht nichts mehr voran."

Oberstes Ziel des Winterdienstes ist immer, den totalen Verkehrskollaps zu verhindern. Deshalb unterscheiden die Männer zwischen Straßen der Priorität eins (insgesamt 550 Hauptstraßen, Busstrecken und Autobahnzubringer) und Straßen der Priorität zwei (1300 Nebenstraßen). Erst wenn die Hauptstraßen frei geräumt sind, geht es an die Nebenstraßen.

"Aber irgendwann wird jede Straße in dieser Stadt gestreut - auch, wenn es ein paar Tage dauert." Ingolf Tahn zwinkert noch einmal und macht einen Schlenker über ein paar Parkbuchten. Die müsste er eigentlich nicht freiräumen. "Aber die Leute freuen sich."

Es geht über Burgholz bis zur Siedlung Vonkeln. Der Laster schiebt sich dröhnend über die Höhen. "Da ist es immer richtig eng. Das ist Zentimeterarbeit." In dem Moment macht der Wagen einen Ruck. Tahn hat einen dicken Bruchstein verschoben, der unter dem Schnee verborgen lag. Sofort meldet sich ein Anwohner aus einem Vorgarten zu Wort.

Tahn springt aus dem Fahrzeug und räumt den Stein per Hand weg. "Auf der nächsten Tour schiebe ich noch einmal nach", sagt er, schwingt sich wieder ins Führerhaus und packt die Handschuhe an die Seite.

Insgesamt sind 300 Mitarbeiter auf 45 Fahrzeugen damit beschäftigt, Wuppertals Straßen von Eis und Schnee zu befreien. Dass dies ein außergewöhnlicher Winter ist, steht für Tahn fest. "In den letzten Tagen haben wir nicht geschlafen, sondern gearbeitet."

"Im Februar kommt noch was auf uns zu.
Das ist traditionell der schneereichste Monat."
. . .und über flockige Wetteraussichten

Und das geht laut Tahns Prognose noch eine Weile so weiter. "Im Februar kommt noch was auf uns zu. Das ist traditionell der schneereichste Monat." Und was machen er und seine Kollegen vom Winterdienst im Sommer? "Dann fahren wir die Kehrmaschinen und befreien die Straßen von Dreck, statt von Schnee."