Begrabt mein Herz in Wuppertal Begegnung mit dem Allwissenden

Wuppertal · Kolumnist Uwe Becker erlebte einen besonders verrückten Tag in der Schwebebahn.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Ich hatte bereits an diesem Morgen so ein Gefühl, dass etwas Außergewöhnliches passieren würde. Ich stand auf, schaltete mein Radio ein, was bereits äußerst ungewöhnlich war, da ich in der Regel immer erst dann Radio höre, nachdem ich mich im Bad für den Tag fertig gemacht habe, und der Kaffee servierfertig in meiner Küche duftet. An diesem Tag fuhr ich in die Stadt, um mir eine Hose zu kaufen, da ich nur noch eine besaß, die aber nicht mehr den Ansprüchen genügte, um in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden zu können.

Meine Rückfahrt mit der Schwebebahn, die zu dieser Zeit noch funktionstüchtig war, begann mit einer zunächst unangenehmen Begegnung mit einem älteren Herrn, der sich noch in die Bahn quetschen wollte, und mir hierdurch unangenehm auf die Pelle rückte. Als ich über seine Schulter hinweg auf den Bahnsteig blickte, schnarchte dort auf der Bank ein volltrunkener Mann. Ich fragte den Herrn, der sich an mich drängte, etwas verärgert und zynisch: Wecken Sie doch den Mann dort auf der Bank schnell noch auf, vielleicht will der ja auch noch mit in diese volle Bahn!“

Der seriöse Herr, den ich so auf Ende 70 geschätzt hatte, blickte mich lächelnd an und meinte: „Den Humor haben Sie aber von ihrer Mutter, stimmt’s?“ Ich erschrak, weil meine Mutter wirklich lustig war. Woher wusste dieser Mann das, kannte er mich und meine Familie? Er sagte: „Ich kenne sie und ihre Familie nicht wirklich, wie man heute so sagt!“, und lächelte dabei verschmitzt. Um ihm etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, stellte ich einige Fragen aus meiner Kindheit und Jugend, die man nur richtig beantworten konnte, wenn man wirklich dabei war: „Wie lautete denn der Rufname meiner Großmutter mütterlicherseits und wie hieß der Feldwebel, der während meines Wehrdienstes in Lübeck neben mir im Bataillons-Geschäftszimmer saß? Und kennen Sie auch die Klassenlehrerin aus meiner Grundschulzeit?“ Der sonderbare Fremde überlegte nicht lange: „Lydia, Feldwebel Ölberg und Frau Berndt mit „dt“ hinten!“ Ich wurde kreidebleich, alles stimmte genau – es war unheimlich.

An der Haltestelle Völklinger Straße musste ich aussteigen. Der Mann, der höchstwahrscheinlich auch die Lottozahlen für das kommende Wochenende kennt, stieg mit mir aus. Wir gingen noch eine kleine Strecke zusammen. Ich fragte ihn, als wir an meiner Haustüre angekommen waren, woher er denn alle diese Informationen über mein Leben hatte. Der alte Herr erzählte mir nun in aller Ruhe und sehr behutsam, warum er alle diese Details über mich kannte. Ich war im höchsten Maße irritiert, bat ihn dann aber noch auf einen Kaffee in meine Wohnung.

Wir unterhielten uns noch über Fußball, Frauen und den Papst. Als mein Besuch wieder gehen musste, fragte ich ihn, ob er, wo er nun schon einmal hier sei, mir einen Wunsch erfüllen könnte. Ich reichte ihm einen schwarzen Filzstift, meinen Edding 400, und dann schrieb er diese wundervollen zwei Wörter auf meine leuchtende Kugel im Schlafzimmer: „Herzlichst Gott“ Ja, der Allwissende, der himmlische Vater, hatte soeben meinen Globus signiert!

Für alle Ungläubigen: Ich haben den Globus hiernach fotografiert, und limitierte Fine Art Prints, 300 Gramm Fly, diesmal von mir signiert, anfertigen lassen. Ich verkaufe sie gerahmt am kommenden Sonntag im „Atelierhaus Ulle Hees“, Friedrich Engels Allee 191 a, von 11 bis 19 Uhr. Ich freue mich auf Sie!