Engagement Verein Wuppertaler in Not: „Unsere Arbeit dient dazu, Familien zusammenzuhalten“
Die Anfragen beim Verein werden immer mehr – die Ausgaben überstiegen 2023 erstmals die Spendeneinnahmen.
Eine Familie mit acht Kindern, aber ohne Betten. Eine 85-Jährige, die in einer betreuten Wohngemeinschaft für Demenzkranke lebt – und dort auch bleiben möchte. Eine Mutter, die durch eine Zwangsräumung fast alle Einrichtungsgegenstände verlor. In Wuppertal steigt die Zahl der Hilferufe, die sich an den Verein „Wuppertaler in Not“ wenden.
Rund 730 Anfragen verzeichnete die Organisation im Jahr 2023 von Menschen, die in Wuppertal leben und in eine Notlage geraten sind. 2019 waren es noch etwa 490. Dadurch überstiegen die Ausgaben erstmals die Höhe der Spenden, teilt Christina Rogusch, Geschäftsführerin des Vereins, mit. 150 000 Euro setzte Wuppertaler in Not im Jahr 2023 zur Unterstützung ein, während etwa 100 000 Euro an Spenden zusammenkamen.
Die Tendenz müsse unter anderem dem weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise und der Kosten für Energie zugeschrieben werden, heißt es im Rechenschaftsbericht des Vereins. Ein Drittel mehr Haushalte als im Vorjahr meldeten sich, weil sie an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit gestoßen seien. „Und wir haben für dieses Jahr jetzt schon 250 neue Fälle bearbeitet“, so Christina Rogusch.
Die Zahlen sind abstrakt, die Schicksale dahinter umso konkreter. Christa und Ulrich Vahlensieck gehören zu den 18 Ehrenamtlichen, die sich für den Verein und seine Hilfesuchenden engagiert. Wer dem Ehepaar zuhört, wie es über seine Arbeit spricht, wird gewahr, dass es nicht nur um zweckmäßige Unterstützung geht, weil die Waschmaschine kaputtgegangen ist oder der Strom abgestellt wurde. „Die Menschen haben Existenzängste“, sagt Christa Vahlensieck. „Wenn sie vom Bürgergeld leben, ist das eine prekäre Situation.“
Geschäftsführerin Christina Rogusch berichtet von einem Fall, der sie besonders bewegt hat: „Da ist eine Wuppertalerin der Liebe wegen nach Eisenach gezogen. Die Liebe ist jedoch zerbrochen.“ Sie wollte zurück nach Wuppertal, „erlitt aber vor ihrem Umzug eine Totgeburt“. Die Kosten für die Überführung der Leiche nach Wuppertal wurde vom Verein übernommen. Hier wird das ungelebte Leben durch die Initiative Sternenkinder, einer Kooperation zwischen Bethesda-Krankenhaus, Helios-Klinikum und DRK-Schwesternschaft, bestattet.
Der Anstieg von Anfragen aus Haushalten alleinerziehender Elternteile sei erschreckend, sagt Rogusch. Er stieg von 76 Fällen im Jahr 2022 auf 209 im vergangenen Jahr. „Zum Beispiel ist eine junge Mutter mit ihrem zweijährigen Kind wegen häuslicher Gewalt zu ihrem Bruder nach Wuppertal gezogen. In der Küche gab es aber nur eine Herdplatte und sonst kaum Einrichtung. Wir haben einen Kühlschrank gespendet und 500 Euro zur Verfügung gestellt, um den Kauf eines Kinderbettes zu unterstützen.“
Seit 25 Jahren engagieren sich Christa und Ulrich Vahlensieck nun für den Verein. Es sei am Anfang schwierig gewesen, Hausbesuche zu machen, so Christa Vahlensieck. Die Menschen hätten oft psychische und gesundheitliche Probleme, nicht selten stoße man auf verwahrloste Hausflure, „das ist teilweise schrecklich, wir sind auch schon in Messie-Wohnungen gekommen“. Mittlerweile habe man sich daran gewöhnt.
Schließlich diene die Arbeit dazu, Familien zusammenzuhalten und ihnen ein würdiges Leben zu gewähren, ergänzt Christina Rogusch und liefert ein aktuelles Beispiel, bei dem es im April um einen 39-jährigen, ehemaligen Obdachlosen ging: „Er hat jetzt eine Wohnung und dadurch die Chance, das gemeinsame Sorgerecht für die neunjährige Tochter zu nutzen.“ Um eine funktionierende Wohnung zu gewährleisten, erhielt er unter anderem eine gebrauchte, aber überholte Waschmaschine sowie einen Gutschein, um Spielzeug zu kaufen.
Prüfungen sind notwendig, aber auf Bürokratie wird verzichtet
„Organisationen brauchen eine gewisse Zeit, um etwa finanzielle Unterstützung genehmigen zu lassen, bei uns geht das unbürokratischer“, wobei Ulrich Vahlensieck betont, „dass wir natürlich auch Unterlagen und Bescheide zum Bürgergeld prüfen, bevor wir helfen“. Einfacher sei dies, wenn die Anfragen von vermittelnden Organisationen wie der Diakonie, der Caritas sowie dem Wuppertaler Sozialamt stammen; sie machen derzeit ein Fünftel aus.
Das Kleid für den Abiball. Die Klassenfahrt. Das Wohngeld fürs Studium. Die Pässe, die verlängert werden müssen – Christa und Ulrich könnten noch viel mehr erzählen, doch sie müssen los, zum nächsten Fall: Die Mutter einer zehnjährigen Tochter hat Schwierigkeiten, Kindergeld zu erhalten und deshalb Lebensmittel zu kaufen. Es klingt so simpel, doch es sind Grundbedürfnisse. Die Nöte bleiben die gleichen. Jedes Jahr aufs Neue. Solange das Geld da ist, um unbürokratisch Hilfe zu leisten.