Großes Kino Versteckt sich in Wuppertal ein Artefakt?
Wuppertal · Für ihr neues Musikvideo drehte die Rockband Johnny Tupolev in der Sonnborner Hauptkirche und im Wodantal – bald soll der Scharpenacken folgen
„Da sitzen ein paar Jungs vom Ölberg beim Grillen, auf einmal ruft Alice Cooper an. Das ist krass, oder?“ Tom Berger ist immer noch geflasht, wie er sagt. Schließlich gehört Alice Cooper zu den lebenden Legenden der Rockmusik – und seine Tochter Calico zu den Protagonisten im neuen Musikvideo der Wuppertaler Band Johnny Tupolev, deren Frontmann Tom Berger ist. Teile des Videos zur Single „Gun Crazy“ wurden Mitte Juli in der Sonnborner Hauptkirche gedreht.
Und was sich die Jungs der Rockband da ausgedacht haben, ist nicht nur titelgebend verrückt, sondern gleicht auch einem Kurzfilm in Hollywood-Manier. Kein Wunder, dass der Wuppertaler Special-Effects-Artist Frank Petzold wieder Regie führt, der unter anderem am vierfach mit dem Oscar ausgezeichneten Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ beteiligt war. Und dass sich die Band um Tom Berger, Jens Grebe und Dietmar Noack vielleicht bald auf der Streaming-Plattform Netflix wiedersieht. Eine Menge Gitarrenholz, diese Geschichte. Aber fangen wir mal von vorne an.
Calico Cooper ist nicht nur das Patenkind des Hollywoodschauspielers Johnny Depp, sondern hat in den USA auch eine eigene Band namens „Beasto Blanco“. „Sie sind deutlich düsterer als wir, gehören aber zur gleichen Plattenfirma – und die hat eine Zusammenarbeit eingestielt“, erzählt Berger. „Dann hatte ich Bilder im Kopf“, berichtet er von den Anfängen des Abenteuers, mit dem sich die Alternative-Rocker auf neue Pfade begeben.
„Wir haben ein Drehbuch geschrieben – eine Liebesgeschichte, jedenfalls in ihrer Grundstruktur.“ Die früh beginnt. Ganz früh. Nämlich bei Adam und Eva. „Die beiden mussten ja das Paradies verlassen, weil Eva, die dumme Nuss, Adam den Apfel gegeben und deshalb gegen die Regeln verstoßen hat.“ Das habe die Beziehung ziemlich ins Wanken gebracht. „Und ich habe mir die Frage gestellt: Was wäre, wenn Gott ihnen eine zweite Chance gegeben hätte, ins Paradies zurückzukehren – aber nur, wenn sie das Artefakt finden.“
Produktion könnte Inspiration für eine neue Netflix-Serie sein
Ein Artefakt? Zu Zeiten der Schöpfung? „Was weiß ich: den Stein der Weisen, die Bundeslade, den Kelch vom letzten Abendmahl. Es war ein Gedanke, der mich gethrillt hat“ – vor allem, wenn man noch eine weitere Frage hinzufüge: „Was wäre, wenn genau diese Beziehung aus Liebe und Hass der Anfang gewesen ist für alle Konflikte, die sich über die Jahrtausende ergeben haben? Und denen wir immer noch ausgesetzt sind. Die Geschichte der Menschheit.“
Johnny Tupolev. Wenn, dann groß. Das zeigte die Band bereits im vergangenen Jahr mit ihrer „Experience“-Show im Visiodrom in Heckinghausen. Der Dreh des neuen Musikvideos widmet sich nun vorerst einem Kapitel dieses Epos: „Zwei Bands treffen in einer Kirche aufeinander, in der ein Priester angeblich einen Schlüssel verwahrt, mit dem der Besitzer dem Artefakt näherkommen kann. Doch statt ihr Ziel zu erreichen, begegnen sie nicht nur einem Verräter, sondern landen auch in einer Zeitmaschine.“
Die Sonnborner Kirche – darunter auch der Glockenturm – sei dafür ein idealer Ort gewesen, nicht nur räumlich: „Die evangelische Gemeinde mitsamt Pfarrer Gernold Sommer und dem Presbyterium hat uns bestens unterstützt, vor allem als klar war, dass es im Turm auch zu einer Schießerei kommen wird. Ich glaube, bei den Katholiken hätte das nicht geklappt“, sagt Berger.
Doch das war längst nicht alles: „Weiter geht es mit einer Verfolgungsjagd, die wir im Hattinger Wodantal gedreht haben“, erzählt der Gitarrist und Sänger, der von der Produktion so angefixt ist, dass er aus dem Sessel aufsteht und die Szenen fast nachstellt. „Ey, mir stehen die Haare zu Berge, ich sag’s dir. Das ist das Größte, was wir bisher gemacht haben.“ Die nächsten Drehs, um das Projekt zu vervollständigen, stehen schon auf der Liste: „Im Winter ist der Scharpenacken dran, weil wir eine Episode brauchen, die im verschneiten Alaska spielt.“ Und wenn es nicht schneit? „Dann fahren wir eben ins Sauerland nach Winterberg.“
Dass Johnny Tupolev ihre Musikvideos so aufwendig gestalten, basiere weniger auf der Suche nach Aufmerksamkeit – „wir sind die berühmteste unbekannte Band der Welt“ –, sondern auf ihrer Liebe zum Film: „Wir sind totale Cineasten. Es ist faszinierend, etwas Fiktives zu erschaffen und es dann so zu bearbeiten, dass es echt aussieht.“
Ob die Produktion des Musikvideos, das im Frühjahr 2025 erscheinen wird, der Beginn einer neuen Karriere sein könnte, mag Tom Berger nicht beurteilen. Doch es könnte der Auftakt einer Serie sein – bei Netflix, der derzeit erfolgreichsten Streaming-Plattform. „Wenn daraus eine Serie wird, habe ich keine Ahnung, ob die uns vielleicht als Schauspieler engagieren oder nur unsere Musik einsetzen. Wir machen das, weil es wow ist.“ Sein Geld hingegen verdiene er durch das Musikfachgeschäft „Hardline“ an der Bundesallee in Elberfeld – ergänzt durch eine private Musikschule. Jede Menge Holz. Rock’n‘ Roll eben.