Wuppertal „Viele reden von Aufbruch, aber nur wenige brechen auf“
Konstruktiver Ungehorsam ist das Markenzeichen von Werner Kleine. Der Pastoralreferent ist ein glühender Kämpfer für seine Kirche — und oft allein auf weiter Flur.
Wuppertal. Werner Kleine weiß sehr gut, warum er ist, wie er ist. Es sind seine Wurzeln im Ruhrgebiet. Er ist ein Kohlemensch, sagt er von sich. Er ist ein Mensch, der ein bisschen braucht, bis er mit anderen warm wird, aber wenn er mit anderen warm geworden ist, dann ändert sich das auch nie mehr. Rheinländer, sagt er, seien Strohmenschen. Schnell Feuer und Flamme, aber ebenso schnell ein Häuflein Asche. „Ich habe nie verstanden, dass die Elberfelder von sich sagen, sie seien rheinische Frohnaturen. Wuppertaler sind Kohlemenschen. Und das ist keine Beleidigung“, sagt Kleine.
Werner Kleine beleidigt niemanden. Einerseits geziemt sich das nicht für einen Pastoralreferenten. Andererseits passt es nicht in sein Naturell. Er gehört zu den Menschen, die offen sind und ehrlich, die austeilen, aber immer über der Gürtellinie bleiben, und die einstecken können. „Wenn ich rausgehe, muss ich damit rechnen, dass mir der Wind um die Nase weht“, sagt er.
„Raus gehen“ ist Kleines Begriff für sich bemerkbar machen. Das ist, was er an seiner katholischen Kirche vermisst. Die habe in Papst Franziskus und beispielsweise auch in den Kardinälen Marx und Wölki Männer, die etwas zu sagen hätten und das auch tun. „Aber auf kommunaler Ebene kommt dann nicht mehr viel.“
Da ist der Pastoralreferent anders. Er mischt sich ein, er äußert sich. Das ist nicht immer bequem, aber es ist immer bemerkenswert. Die einen fühlen sich zum Widerspruch genötigt, andere sind froh, dass einer mal das Wort ergreift für die Kirche. Genau das macht Kleine. Er grenzt seinen katholischen Glauben klar vom Islam ab- „Allah ist nicht der Gott, den ich meine. Mohamed ist kein Prophet. Jesus auch nicht. Jesus ist Gottes Sohn.“ All das ist klar, für Kleine unumstößlich. „Das heißt aber nicht, dass ich Moslems nicht respektiere. Ich bin nur der Meinung, dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen müssen.“
Dazu scheint die katholische Kirche derzeit nicht durchdringend in der Lage zu sein. „Wir haben uns aus dem öffentlichen Leben verabschiedet.“ Wenn die Gesellschaft dem Islam aus begründeter Angst vor der eigenen Geschichte grenzenlos tolerant begegnet, wenn die Kirche nicht für ihre Werte eintritt und wirbt, dann entsteht Unsicherheit, geht Orientierung verloren.
Kleine leidet darunter, aber er findet sich nicht damit ab. Ihn wurmt es, dass Wuppertals Stadtspitze zum Fastenbrechen einlädt. „Das sollten die Moscheevereine tun. Dann wäre das vollkommen in Ordnung.“ Denn dieselbe Stadtspitze lade ja auch nicht zur Christmette ein. Stattdessen würden die Christen aufgefordert, den Flüchtlingen zu Weihnachten etwas zu schenken. „Aber Weihnachten hat doch eigentlich nichts mit Geschenken zu tun. Da wird ein hohes Kirchenfest zum Brauchtum degradiert.“
Werner Kleine ist kein Betonkatholik. Er kennt die Schwächen seiner Kirche und er benennt sie. Die Offenheit, die Klarheit, mit der er selbst in Wuppertal unterwegs ist, wünschte er sich auch von seiner Kirche. „Kirche muss berührbar sein“, sagt er und meint das im Wortsinn. Es komme vor, dass Obdachlose ihn umarmten. „Das ist nicht immer schön. Aber es gehört dazu. Ich will das so“, sagt er. Er habe deswegen immer eine Flasche Desinfektionsmittel im Auto. Pragmatisch ist dieser Pastoralreferent auch.
Aus diesem Grund beäugt er auch kritisch, dass derzeit überall in Wuppertal der Begriff Aufbruch die Runde macht. Er habe den Eindruck, dass an jeder Ecke das Rad neu erfunden werde. „Da geschieht sicher auch einiges. Aber es könnte noch mehr sein, wenn sich alle fragten, was Wuppertal als Ganzes nach vorn bringt.“ Diese Stadt habe viele Häuptlinge und wenige Indianer.
Werner Kleine ist überzeugt von seinem Glauben, und er ist auch überzeugt von seiner Kirche. Dennoch hat er sich während seines Studiums in München gegen das Priesteramt entschieden. Dass er damals seine heutige Ehefrau kennengelernt habe, sei ein Grund gewesen, aber nicht allein ausschlaggebend. „Armut, Keuschheit, Gehorsam sind Voraussetzungen für das Priesteramt. Mit Armut habe ich kein Problem. Mit Keuschheit schon. Und gehorsam bin ich nicht. Ich sage, was ich denke. Und von meinem Gegenüber erwarte ich, dass er mich gegebenenfalls von meinem Irrtum überzeugt.“