Nahverkehr Viele Wuppertaler Bushaltestellen sind nicht barrierefrei - das soll sich nun ändern
Wuppertal · Acht Bushaltestellen von 1323 sollen barrierefrei werden. Der VRR bietet eine hundertprozentige Förderung an, doch das Personal für die Planung muss die Stadt selbst stellen.
Die Stadt Wuppertal ruft weniger Fördergeld für den barrierefreien Umbau von Haltestellen ab als andere Städte. Gleichzeitig steht sie beim Vergleich des Status quo im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auf dem letzten Platz: 92 von 1423 Bushaltestellen sind barrierefrei, ein Anteil von sechs Prozent. Davor stehen Hagen, Solingen und Remscheid mit rund 18 Prozent, beim Spitzenreiter Oberhausen sind es 92 Prozent. Die Daten haben die Städte selbst an den VRR gemeldet.
Der Verkehrsverbund will die Barrierefreiheit verbessern. Deshalb hat er ein Förderprogramm aufgelegt, bei dem von 2022 bis 2024 die vollständigen Kosten für den Umbau übernommen werden, das Personal müssen die Kommunen selbst stellen. „Damit möchten wir kommunale Aufgabenträger auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ermuntern, in die Barrierefreiheit ihrer Haltestellen zu investieren“, sagte Gabriele Matz, damals Abteilungsleiterin für die ÖPNV-Investitionsförderung, als das Programm aufgelegt wurde. Es sei noch einiges zu tun.
In diesem Jahr kommt Wuppertal nicht im Katalog der geförderten Maßnahmen vor. Herne und der Stadtbetrieb Castrop-Rauxel haben vor wenigen Tagen einen Zuwendungsbescheid über 940 000 Euro erhalten, um 22 Haltestellen umzubauen. Im Katalog für 2023 wird Wuppertal mit acht Haltestellen erwähnt; Kranenburg mit 37 Stück, Grevenbroich mit 184 Stück. Die Entscheidung darüber trifft der VRR-Verwaltungsrat am 15. September.
Barrierefreiheit hilft nicht
nur Menschen mit Behinderung
Das Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr sei in Wuppertal „schlicht verschlafen“ worden, sagt Petra Bömkes, Vorsitzende des Beirats der Menschen mit Behinderung. „Ihm wird eine zu geringe Priorität beigemessen. Wir haben leider weniger Einfluss auf politische Entscheidungen, als wir uns wünschen.“ Es gebe Städte, deren Nahverkehr deutlich barrierefreier ist. „Das empört uns zutiefst.“ Zumal Barrierefreiheit nicht nur für Menschen mit Behinderung notwendig und nützlich sei, sondern beispielsweise auch für Eltern mit Kinderwagen, Menschen mit Sportverletzungen und in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger werde.
„Sobald im ÖPNV gebaut werden soll, heißt es immer: kein Personal, kein Geld“, beklagt Axel Sindram, Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn im Bergischen Land. „Dadurch bleibt Geld liegen, das eigentlich zusteht. Das glaubt man eigentlich nicht so recht.“ Dabei könne auch der Betriebsablauf profitieren: Wenn Busse nicht mehr in Buchten, sondern am Fahrbahnrand halten, wird Zeit gespart und damit letztlich Geld.
Auch Wuppertaler Politiker, die in den Gremien des Verkehrsverbunds sitzen, kritisieren die aktuelle Situation. „Die Verwaltung begründet das immer damit, dass sie kein Personal hat. Das ist nicht hinzunehmen“, sagt Arif Izgi (SPD). „Menschen beispielsweise mit Rollator haben das Recht, dass es auch ihnen möglich ist, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.“ Im städtischen Mobilitätskonzept, das sich mit Barrierefreiheit befasst, heißt es, dass der Umbau „mehrere Hundert Jahre“ dauern würde, wenn er in der jetzigen Geschwindigkeit fortgesetzt wird. „Ich würde mich schämen, so etwas auf den Tisch zu legen.“ Die Stadt müsse Transparenz schaffen, wie viel Personal nötig ist, und zügig Anträge stellen.
Den letzten Platz im Städtevergleich bezeichnet Hans-Jörg Herhausen (CDU) als „Katastrophe, das kann man nicht anders sagen“. Es müssten Personalstellen im Bereich der Verkehrsplanung bewilligt und besetzt werden – auch wenn ihm bewusst ist, dass dort wie auch anderswo Fachkräftemangel herrsche.
Timo Schmidt (Grüne) sieht ein „riesengroßes Problem“ für Menschen, die auf barrierefreie Haltestellen angewiesen sind. „Das nimmt ihnen die ganze Teilhabe, sie sind in ihren Quartieren gefangen. Barrierefreie Haltestellen sind die Grundvoraussetzung.“ In der Vergangenheit sei an den falschen Stellen gespart worden. Das müsse bei den derzeitigen Haushaltsverhandlungen berücksichtigt werden.
Der Entwurf für den städtischen Haushalt wurde mehrfach überarbeitet. Anfänglich war darin eine neue Pauschale von 200 000 Euro jährlich vorgesehen, die für den barrierefreien Umbau von Haltestellen verwendet werden sollte, um „die Mobilität für jeden zugänglich zu machen“. Im aktuellen Entwurf wurde die Pauschale wieder gestrichen. Derzeit berät die Politik die Priorisierung im Haushalt 2022, er soll im September beschlossen werden.
Die Stadt hat sich am Mittwoch nicht zu den Gründen dafür geäußert, in welchem Umfang sie Anträge auf die Förderung gestellt hat. Zu Beginn jedes Kalenderjahres schreibe der Verkehrsverbund alle Kommunen und Verkehrsunternehmen im Zuständigkeitsbereich an, damit sie ihre Investitionsvorhaben anmelden können, sagt VRR-Sprecher Dino Niemann.