Herr Otto, vor ziemlich genau einem Jahr, zum Zukunftspreis 2023, sagten Sie, dass die Lage der bergischen Unternehmen durchaus Anlass zur Sensibilität gebe. Wie sieht es heute aus?
Interview Volksbank-Vorstand Andreas Otto über Lichtblicke und die Zukunft im Bergischen
Wuppertal · Im Gespräch betont er, dass die drei bergischen Städte enger zusammenrücken müssen.
Volksbank Vorstand Andreas Otto über die Lage der bergischen Unternehmen, Lichtblicke und warum es ihm um die Zukunft nicht bange ist.
Andreas Otto: Es zeigt sich leider auch jetzt, ein Jahr später, dass ich das für die bergischen Unternehmen bestätigen kann. Je nach Branche müssen wir aber differenzieren. Die Baubranche ist gestresst, das liegt an der geringen Bautätigkeit. Und die Automotive-Branche leidet unter der Absatzkrise. Auch in Bereichen, von denen man es zunächst nicht vermutet hätte, wie bei großen Wärmepumpenherstellern, herrscht Kurzarbeit, weil die Politik mit dem Heizungsgesetz und den Förderungen völlig danebengelegen hat. Bei den Messer- und Klingenherstellern in Solingen ist die Situation ebenfalls angespannt. Insgesamt sehen wir die Lage momentan kritisch.
Befinden sich die bergischen Betriebe in einer ähnlichen Lage, wie alle anderen Unternehmen in Deutschland? Oder gibt es in unserer Region Besonderheiten?
Otto: Insgesamt sind wir ein Spiegelbild der Situation in Deutschland. Allerdings sind gerade Remscheid und Solingen sehr industriell geprägt, und die Industrieproduktion ist deutlich rückläufig. In Regionen, in denen verstärkt Dienstleister ansässig sind, ist die Lage vielleicht nicht so belastet wie bei uns. Remscheid hat die höchste Industrialisierung der Region. Da ist schon Druck auf dem Kessel.
Was sind die größten Probleme der Unternehmen in der Region?
Otto: Energiekosten, Fachkräftemangel und die Gefahr von wegbrechenden Märkten bereiten den Unternehmen die größten Sorgen. Die Zusammenarbeit mit China ist schwieriger, und auch die USA sind unberechenbarer geworden. Das belastet natürlich die Betriebe der Region. Der Hochbau und insbesondere die Automotivebranche merken deutliche Absatzrückgänge. Die Elektromobilität greift nicht so durch, die Autos werden nicht in der gewünschten Anzahl verkauft. Einige Autohäuser klagen über eine starke Kaufzurückhaltung, gerade im Privatkundenbereich herrscht Unsicherheit.
Gibt es auch Lichtblicke?
Otto: Es gibt immer Branchen, die sehr gut aufgestellt sind. Wenn ich zum Beispiel auf unsere Preisträger, die Firmen Steinhaus und Stahlwille schaue, zeigt sich das. Es gibt noch einige weitere Unternehmen, die weiterhin sehr gutes Geld verdienen, eine sichere Nachfrage haben und solide aufgestellt sind. Diese Betriebe leiden eher unter dem Fachkräftemangel. Trotz der hohen Zahl an Industriebetrieben ist die bergische Region sehr vielfältig. Das macht sie resistent im Umgang mit Krisen. Wir haben Unternehmen, die im Tiefbau unterwegs sind, denen geht es nach wie vor gut. Sie profitieren vom Sanierungsstau in Deutschland und von den zahlreichen Projekten im Bereich Straßen, Brücken und Schienen. Alles, was mit Baustellen zu tun hat, wird gebraucht. Da gibt es vielleicht sogar eine Art Sonderkonjunktur. Und es gibt noch mehr Positives. Wir haben zum Beispiel im Bergischen keine Großarbeitgeber, die plötzlich fünf- oder zehntausend Stellen abbauen könnten. Wir sind sehr mittelständisch geprägt, die Unternehmen werden häufig von ihren Inhabern geführt. Da werden wir nicht mit hohen Arbeitslosenzahlen zu rechnen haben. Im Gegenteil, die Betriebe werden alles daransetzen, ihre Fachkräfte zu behalten. Die Patentdichte ist sehr hoch, wir haben viele innovative Betriebe. Alles zusammen ist das schon ein Pfund, das die Region stark macht. Mir wird um die Zukunft nicht bange. Wir sind sehr breit und kleinteilig aufstellt. Da sind wir gegenüber Regionen, die nur ein, oder zwei große Unternehmen haben, im Vorteil. Familienunternehmen sind in der Regel stabil, da wurden über die Jahre Rücklagen aufgebaut, da ist Liquidität. Die erschüttert so leicht nichts.
Spiegelt sich die angespannte Situation auch im Kreditgeschäft der Volksbank?
Otto: Die Nachfrage nach Krediten in der Industrie, zum Beispiel für Erweiterungsinvestitionen, ist momentan bescheiden. Alle warten ab und wissen nicht, wo es hingehen soll. Hinzu kommen die Energiekosten, die insbesondere den großen stahlverarbeitenden Unternehmen zu schaffen machen. Dabei wächst der Druck aus China, wo mit ganz anderen Energiepreisen gearbeitet werden kann. Darunter leidet die Wettbewerbsfähigkeit. Obendrauf kommt dann noch die Bürokratie. Es gibt die ein oder anderen Unternehmen, bei denen wir schauen müssen, ob die Liquidität noch passt, aber das ist nicht flächig. Langsam kommt auch das Thema Baufinanzierung wieder in Fahrt, da scheint die Schockstarre überwunden. Ganz anders beim Thema Bauprojekte. Das gesamte Bauträgergeschäft liegt brach. Das Zusammenkommen von hohem Baupreis und hohen Zinsen hat lange blockiert. Das löst sich ganz langsam auf.
Wie könnte sich das Städtedreieck besser positionieren im Vergleich zu anderen Regionen?
Otto: Wir müssen näher zusammenrücken. Die drei großen Städte – und insgesamt das Bergische Land – müssen sich besser positionieren gegenüber dem Rheinland mit Köln und Düsseldorf, aber auch gegenüber dem Ruhrgebiet. Wir müssen um eine bessere Anbindung im Nahverkehr, insbesondere in Remscheid, kämpfen. Wir brauchen mehr Wohnungen, auch qualitativ hochwertige Wohnungen, um Menschen ins Bergische locken. Denn die Lebensqualität ist hier hoch. Die Mieten sind günstiger als in den Großstädten und man ist direkt im Grünen. Wer will, erreicht Köln und Düsseldorf aber schnell. Das sind die Vorteile der Region, die wir noch stärker hervorbringen müssen. Als Volksbank unterstützen wir das natürlich.
Die Volksbank ist Mitinitiator des Bergischen Zukunftspreises. Warum ist der Blick nach vorne wichtig?
Otto: Wir sehen die Zukunft der Region positiv. Als Volksbank im Bergischen Land bilden wir die Klammer um die drei Städte und das Umland und wollen die Region unterstützen. Wir haben hier viele tolle Unternehmen, die sich engagieren und für die Region stark machen. Das sollten wir auszeichnen.