Vom Umgang mit dem Thema Krieg
Müllers Marionetten-Theater führt „Lysistrata“ als szenisches Hörspiel auf — ohne Puppen, aber mit Live-Malerei.
„Letztlich geht es darum, wie wir mit dem Krieg in der heutigen Welt umgehen“, erklärt Ursula Weißenborn das Ansinnen, „Lysistrata“, weltbekannte Komödie des griechischen Dichters Aristophanes, auf die Bühne von Müllers Marionetten-Theater zu bringen. Ohne Puppen, mit viel Gedanken, Improvisation und Herzblut. Nach der „Entführung aus dem Serail“ das zweite Stück, das sich die Weißenborns zum 35-jährigen Bestehen ihres Theaters schenken.
„Lysistrata“, 411 vor Christus geschrieben, erzählt die Geschichte eines Geschlechterkampfes: Um ihre Männer vom ewigen Kriegführen abzubringen und endlich Frieden zu erreichen, treten die Frauen in einen Liebesstreik. „Wir wollen das seit vielen Jahren aufführen“, erzählt Günther Weißenborn und seine Frau ergänzt: „Sobald die geniale Grundidee des Stücks gezeigt wird, entsteht Komik an Stellen, wo sie nicht hingehört. Deshalb lösen wir uns von den Puppen, so dass jeder für sich interpretieren und auf der Grundidee weiterdenken kann.“
Auf der philologischen Übersetzung von Niklas Holzberg aufbauend hat der Theaterchef sein szenisches Hörspiel geschrieben. Mit professionellen Sprechern aufgenommen wird es über die neue quadro- bis octophone Anlage im schmalen, langen Zuschauerraum abgespielt. Die Puppenbühne bleibt verschlossen, das Publikum sitzt im Raum verteilt auf Holzstühlen, von denen dringend noch mehr gebraucht werden, weshalb die Weißenborns die Wuppertaler bitten, Stühle zu spenden. Während der Aufführung bemalen die ausgebildeten Maler Ursula Weißenborn und Markus Welz mit großen Quasten und klaren Acrylfarben die mit großen weißen Blättern verkleideten Wände — abstrakt und live, übersetzen, was sie hören, in eine eigene Sprache, „die sich entwickelt, sobald man sich auf das Hörspiel einlässt, so dass nur noch eine Farbe, eine Bewegung stimmt“. Dazu wird auch eine Toncollage zu hören sein, die Weißenborn noch im Studio entwickelt. „Das kann das ‚Rheingold’ rückwärts gespielt sein, das kann ein Soldatenmarsch auf dem Kasernenhof sein, das könnte auch Francis Poulenc sein“, überlegt er noch.
Das Projekt sei eine Herausforderung, ein Spaß. „Das Thema ist in uns allen drin“, freut sich Ursula Weißenborn haptisch mit einer Thematik umzugehen, die durch den Syrienkrieg, IS und Boko Haram aktueller denn je ist.
Gespannt sind die Theatermacher auch auf die Reaktion des Publikums, ob es still zuschaut oder ob der eine oder andere eingreift und mitmalt. Am Ende nimmt jeder ein einzigartiges Erlebnis und ein Stück der frischen Bilder mit, die in kleine Stücke zerteilt werden.