Offen gesagt Von Adlern und Hähnchen
Eines ist Oberbürgermeister Andreas Mucke ohne jeden Zweifel: Lokalpatriot. Der 49 Jahre alte Sozialdemokrat lässt keine Gelegenheit aus, die Welt wissen zu lassen, welch eine schöne und lebenswerte Stadt sein Wuppertal ist.
Das fällt ihm auch deshalb so leicht, weil es schlicht und ergreifend die Wahrheit ist.
Für so eine Stadt und seine Einwohner lohnt es sich zu kämpfen. Also zieht der immer noch neue Oberbürgermeister in jede Schlacht. Mal geht es gegen die eigenen Bürokraten, wenn ein beliebtes Stadtfest wie zuletzt das Bleicherfest an Paragraphenhengsten zu scheitern droht. Mal verwechselt das Bauamt in seiner Dienstleistung das Brems- mit dem Gaspedal. Auch in solchen Fällen spricht Mucke ein paar klärende Worte und beschleunigt das Verfahren im Sinne des Antragstellers.
Von solchen Erfolgserlebnissen gestählt, will der an Statur drahtig-durchschnittliche Andreas Mucke nun gegen einen Riesen zu Felde ziehen. Die Deutsche Bahn AG hat ihn geärgert. Denn der Staatskonzern schert sich einen Kehricht um Muckes Heimatstadt. Die Absprache, den Hauptbahnhof zügig zu sanieren und damit schon in diesem Sommer zu beginnen, ist Makulatur. Die Damen und Herren in Berlin denken überhaupt nicht mehr daran, vor 2019 mit den sehr dringend notwendigen Umbauten von Hauptgebäude und Bahnsteigen fertig zu sein. Aber jetzt kommt Mucke.
Wuppertals Oberbürgermeister verlangt ein klärendes Gespräch. Das wird er vielleicht sogar bekommen. Aber das Ergebnis steht schon vorher fest. Mit der Bahn AG verhält es sich wie mit dem Landesstraßenbau-Betrieb Straßen NRW. Beide machen ihre Pläne nach eigenem Gutdünken. Was die betroffenen Städte dazu sagen, interessiert sie nicht. Das war im vergangenen Jahr so, als Straßen NRW mit seinen unkoordinierten Autobahnbaustellen Wuppertal lahmlegte. Das ist bei der Bahn nicht anders, die ihr wirklich schönes Gebäude in Elberfeld mutwillig und desinteressiert vergammeln lässt.
Mucke wird sich eine blutige Nase holen. Er läuft Gefahr, als Adler zu starten und als halbes Hähnchen zu landen. Für die Blessuren darf er sich dann allerdings auch in Wuppertal bedanken. Irgendwer muss doch mit der Bahn AG abgesprochen haben, dass die Stadt mit dem Döppersberg auf eigene Kosten auch die Fassade des Hauptbahnhofes saniert, der ihr gar nicht gehört. Dem hat die Bahn zugestimmt. Wie es dann sein kann, dass Wuppertal sich eine fristgerechte Sanierung des Gebäudes und der Bahnsteige nicht hat schriftlich geben lassen, ist absolut unerklärlich.
Die Befürworter und Planer der wichtigsten Baustelle in der Geschichte dieser Stadt haben sich ungeschützt in die Abhängigkeit eines Konzerns begeben, den es noch nie sonderlich interessierte, was andere von ihm denken, und seien es auch seine zahlenden Kunden.
Die Machtlosigkeit der Stadt in der Bahnhofsfrage erinnert unangenehm an die wundersame Westwanderung des sogenannten Investorenkubus für die irische Textilkette Primark vor dem Köbo-Haus. Das alles erweckt den Eindruck, dass das Großprojekt nicht wegen, sondern trotz Begleitung durch das Rathaus offensichtlich auf einem guten Wege ist. Die blutige Nase von Andreas Mucke ist dabei nicht mehr als ein Kollateralschaden. Verdient hätten sie andere, nicht der Oberbürgermeister.