Inflationsbereinigt Von Geoökonomie, Transformation und dem Bergischen

Bergisches Land · Über den Zusammenhang wirtschaftlicher Themenkomplexe und wie die Wirtschaft von morgen aussehen wird – und muss.

Von Geoökonomie, Transformation und dem Bergischen​
Foto: dpa/Monika Skolimowska

Chaos. Dieser Begriff bringt die aktuelle politische und ökonomische Weltlage am besten auf den Punkt. Ein anderer wäre Verunsicherung. Eine vertraute, vermeintliche beständige Ordnung ist ins Wanken geraten; wodurch sie abgelöst werden könnte, ist alles andere als gewiss. Konzepte wie der vielzitierte „Wandel durch Handel“ sind in (berechtigten) Misskredit geraten, und die Welt droht aufs Neue in systemisch rivalisierende Blöcke zu zerfallen. Zugleich verdeutlicht allein der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, dass auch die globale Wirtschaft wieder Einflussfaktoren ausgesetzt ist, die zuvor lediglich ein historisches Kapitel zu sein schienen. Diese neue Kolumne hat zum Ziel, etwas Ordnung zu stiften, die teils übermäßig erhitzte und allzu oft politisierte Debatte auf den Boden nüchterner Analysen zu holen und zugleich Diskussionsanstöße zu liefern.

So erklärt sich auch der Name dieser künftig monatlich erscheinenden Spalten: „Inflationsbereinigt“ meint nicht nur die Durchleuchtung des jeweils aktuellen Preisauftriebs in Bezug auf ökonomische Zusammenhänge, so wie dieser in den Jahren seit der Pandemie zu neuer Relevanz gelangt ist. Der Titel zielt vielmehr auch auf die Bereinigung der Diskussion ökonomischer Phänomene um polemische Nebelkerzen, (bewusst) verkürzte Argumentationsketten und versteckte Agenden. Denn insgeheim hofft diese Kolumne auch etwas zu befördern, was in unserer schnelllebigen Zeit etwas unter die Räder gekommen ist: die sachlich fundierte Auseinandersetzung. Es wird öfter zu Recht beklagt, uns sei die Streitkultur abhandengekommen; starke Ansichten wehren sich gegen die Belästigung durch Fakten und prallen so fruchtlos aufeinander.

Diese Spalten wollen ein Gegenentwurf sein, und Widerrede zum hier Geschriebenen ist ausdrücklich erwünscht. Denn so viel sei vorweggenommen: Es gibt nicht die eine wirtschaftswissenschaftliche Perspektive auf ein- und dieselben Fakten. Die Volkswirtschaftslehre ist keine Naturwissenschaft und sollte auch nicht den Anschein erwecken, es zu sein. Aber das jeweilige Fundament, auf dem man die gegebenen Fakten bewertet, das sollte schon tragfähig sein und auch klar zutage treten. John Maynard Keynes schrieb in seinem Jahrhundertwerk der „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“, dass gerade „Praktiker, die sich ganz frei von allen intellektuellen Einflüssen wähnen, (…) zumeist Sklaven irgendeines längst verstorbenen Ökonomen“ sind. In jeder wirtschaftspolitischen Diskussion steckt stets ein Friedrich Hayek, ein Milton Friedman, eine Marilyn Waring, oder eben ein John Maynard Keynes; und die Grundlage, auf der man argumentiert, sollte stets deutlich sein. Und natürlich: Auf die (zumeist statistischen) Fakten, auf die muss man sich ganz grundlegend verständigen können. Diese Kolumne wird stets mit offenen Karten spielen und klar benennen, durch welche Brille hier etwas bewertet wird, woher die zitierten Fakten stammen und ggf. auch unmittelbar, welche Gegenargumente zur vorgetragenen Analyse denkbar sind.

Steffen Jakob

Steffen Jakob

Foto: Malte Reiter/Bergische IHK

An Themen wird es diesen Spalten nie mangeln. Zwei übergeordnete ‚Dauerbrenner‘ werden dabei regelmäßig wiederkehren: Nach Jahrzehnten ihrer vermeintlichen Irrelevanz für wirtschaftliche Zusammenhänge ist die Geopolitik wieder mit Macht auf den Plan getreten und verspricht, gravierende Auswirkungen auf den weltweiten Handel mit allen Konsequenzen auch für die exportorientierte bergische Wirtschaft zu haben. Dieses neuerdings „Geoökonomie“ getaufte Feld wird hier ebenso häufig auftauchen wie das zweite große, übergeordnete Thema unserer Tage, die allgegenwärtige „Transformation“ der Wirtschaft und damit zugleich unserer gesamten Lebensweise. Aber auch tagesaktuelle Streitpunkte sollen ihren Widerhall finden.

Die Perspektive dieser Kolumne wird dabei stets eine wissenschaftliche sein (reine Meinungsspalten gibt es im Internetzeitalter schon genug), nicht aber eine akademische. Das Ziel ist es die großen und größeren Zusammenhänge verständlich runterzubrechen und einer breiten Debatte zugänglich zu machen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Also beteiligen Sie sich gerne an dieser Debatte und lassen Sie uns einen öffentlichen Beitrag zur entscheidenden Kontroverse leisten, wie wirtschaftliche Themenkomplexe zusammenhängen und wie die Wirtschaft von morgen aussehen wird – und muss.

Jakob Steffen, Jahrgang 1981, hat Volkswirtschaftslehre sowie Politikwissenschaften in Augsburg, Edinburgh und Köln studiert, wo er sich auf Geld- bzw. Wettbewerbspolitik sowie Internationale Beziehungen spezialisiert hat. Er ist der Geschäftsführer der von ihm gegründeten J.S. Research KG, die sowohl Start-ups begleitet als auch politökonomische Fortbildungen und Analysen im Kundenauftrag anbietet. Steffen ist Schatzmeister des Fördervereins der Station Natur und Umwelt und stellv. Vorsitzender der Deutsch-Britischen Gesellschaft Ruhr; bis Februar 2024 war er Vorsitzender des SPD-Ortsvereins am Katernberg.