Politik Wissenschaftler Südekum warnt akut vor Sparhaushalt

DÜSSELDORF · Der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler ist bei der SPD im Landtag zu Gast. SPD-Fraktionschef Jochen Ott nimmt die Gedanken dankbar auf.

Foto: SPD

In den Rat der Wirtschaftsweisen ist Jens Südekum nicht eingezogen. Das hat die FDP 2022 angeblich erfolgreich verhindert, um das Gremium dereinst nicht zu sehr politisch nach links rücken zu lassen. Südekum, ein angesehener Ökonom für Regional- und Außenhandelsforschung, ist Mitglied der SPD. Der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf hat trotzdem eine Meinung – und äußerte sie gestern in der Fraktion der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag: Südekum warnte dort an der Seite des SPD-Fraktionsvorsitzenden Jochen Ott die Bundes- und die Landesregierung vor einem drastischen Sparkurs. Zugleich forderte er eine Reform der Schuldenbremse. „Wir dürfen jetzt nicht in einen Sparhaushalt taumeln, der ökonomisch und politisch falsch wäre“, sagte der Professor. Die Probleme im Bundeshaushalt würden erst in 2025 richtig deutlich werden, „da „laufen wir auf einen echten Sparhaushalt zu“, sagte Südekum. „2024 war noch kein wirklicher Sparhaushalt, man konnte mit Einmaleffekten und Rücklagen operieren. Das ist 2025 anders.“

„Der Klimatransformationsfonds steht blank da“

In den Planungen des Bundesfinanzministeriums gehe es derzeit wohl um Einsparungen in der Größenordnung von 30 Milliarden Euro allein im Kernhaushalt. Hinzu komme, dass es keine Rücklagen mehr im Klimatransformationsfonds (KTF) für 2025 gebe, die nach ursprünglicher Planung noch bei 40 Milliarden Euro hätten liegen sollen. Aber: „Der KTF steht blank da“, sagte Südekum, der auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium unter dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck ist. Auch die Grünen wollten seinerzeit Südekum in den Rat der Wirtschaftsweisen hieven. Ohne Erfolg. Jetzt sagt Südekum: „Wir laufen auf große Haushaltslöcher zu.“ Ihm fehle Fantasie, wo noch konkret gekürzt werden solle.

Sein Tenor ist der, den SPD und Grüne im Kampf um eine Reform der Schuldenbremse seit geraumer Zeit anschlagen – und damit bei FDP und großen Teilen der CDU auf taube Ohren stoßen. Für die Reform müsste eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag her, ohne die Stimmen der Union ginge also nichts.

Dass Südekum Investitionsbedarf im Übermaß diagnostiziert, ist sachlogisch. Deutschland stehe konjunkturell sehr schwach da, sei Letzter unter den G7-Staaten. Das Land habe in den vergangenen Jahrzehnten „viel zu wenig investiert“. Und die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sehe nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor. Darüber müsse man diskutieren.

SPD-Fraktionschef Jochen Ott bestärkte das. Er hob auf die Verschuldungsquote Deutschlands als die geringste in der EU ab und forderte Investitionen: „Wir sind in einer Zeit der Krisen und Herausforderungen. Viele Menschen sind erschöpft und die Demokratie unter Druck“, sagte Ott. Jetzt dürfe man nicht die „Axt an den Sozialstaat legen“. Und weiter: „Verteilungskämpfe nehmen sonst zu. Wir müssen uns jetzt fragen, welche Lehren wir aus der Vergangenheit ziehen.“ Verbündete sieht Ott unter den CDU-Ministerpräsidenten. Und auch mit der FDP müsse man „natürlich reden“.

Südekum schlug erneut ein im Grundgesetz abgesichertes Sondervermögen für die Transformation der Wirtschaft vor, um langfristig Handlungsfähigkeit über die Legislaturperiode hinaus zu haben. Es müsse jetzt schnell eine Lösung her. Der Wirtschaftswissenschaftler warb für eine Investitionsprämie für Unternehmen, die in klimafreundliche Maßnahmen investierten. Das sei zielgenauer als Steuersenkungen für Unternehmen nach dem Gießkannenprinzip. Die Steuerausfälle der Länder sollten dann über ein Sondervermögen des Bundes ausgeglichen werden, so Südekum.

Die bundesweite Einführung einer Investitionszulage in Form einer Steuerreduktion um 25 Prozent pauschal für Investitionen in Klimaneutralität und Transformation hatte vergangene Woche auch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) vorgeschlagen. In einem Gastkommentar für das „Handelsblatt“ (Dienstag) warben Südekum und Neubaur nun gemeinsam für diesen Vorschlag. Die Idee, über eine neue Notlage Finanzmittel zu generieren, lehnte Südekum ab. Dafür müsse es eine unvorhersehbare Notlage geben, außerdem müssten die Kredite zwingend einem Tilgungsplan unterworfen sein. „Dann verschiebt man das Problem nur in die Zukunft.“

Ott verband die Forderungen an den Bund mit landespolitischen Aufgaben. Über einen Transformationsfonds oder die landeseigene NRW Bank könne die Landesregierung „selbstverständlich auch im Bereich des Wohnungsbaus oder auch bei Schulprogrammen vorangehen“, sagte er. „Und das sogar mit Schuldenbremse.“