Serie Von lauten und leisen Lieblingsorten in Wuppertal
Wuppertal · In dieser neuen Serie lässt sich die WZ von Zufallsbegegnungen quer durchs Stadtgebiet führen – immer dahin, wo es am schönsten ist.
Wohin wird die Reise gehen und welche Menschen werden wir treffen? An diesem Nachmittag auf dem Döppersberg ist das noch völlig unklar. Wir starten schließlich ein kleines Experiment. Wohin führen uns die Wuppertaler, wenn wir sie nach ihren Lieblingsorten fragen? Und wem begegnen wir dort und wohin schicken uns wiederum diese Menschen? Es wird eine ganz besondere Wuppertal-Tour, wie sie garantiert noch niemand gemacht hat.
Unser Startpunkt liegt im Herzen Elberfelds: der Döppersberg. Ein Mann stützt sich auf die Mauer am Oberen Bahnhofsvorplatz und schaut gedankenverloren nach unten. Er sieht ein Wirrwarr aus Menschen. Doch nur wer sich auf den einzelnen konzentriert, der sieht kleine Geschichten. Ein Mann lässt einer hageren Frau, die auf dem Boden sitzt, im Vorübergehen einen Geldschein in die Hand gleiten und grüßt freundlich. Offenbar ein lange erprobtes Ritual. Ein anderer Mann springt zwischen Gehen und Rennen hin und her. Er will offenbar seine S-Bahn bekommen, aber sein bis zum Rand gefüllter Kaffeebecher lässt keine Sprints zu.
Eine junge Frau mit zwei Kindern sticht besonders aus der Masse hervor. Sie hält eine eingetopfte Zimmerpflanze umklammert, deren grüne Blätter ihr weit über den Kopf ragen. Dazu wollen wir mehr wissen. „Ich arbeite im Kindergarten und die Pflanze wäre dort über die Sommerferien eingegangen“, sagt Anna Muminovic. Jetzt ist die 35-Jährige mit Luisa (5) und Jana (10) auf dem Weg nach Hause. Perfekt. Die können sie jetzt bei der Frage beraten, welchen Ort in Wuppertal sie denn am liebsten mag. Muminovic muss nicht lange überlegen: „Der Vorwerk-Park ist sehr schön.“ Da stimmt auch Jana zu. Die Wuppertaler besuchen die Grünanlage gerne im Frühjahr, um die Rhododendren zu fotografieren. „Wir haben da auch schon ein Picknick gemacht.“
Wir machen den ersten Ortswechsel: Die Ruhe im Barmer Vorwerk-Park ist ein erholsamer Kontrast zum Trubel in der Innenstadt. Ab und zu kommen Spaziergänger des Weges. Ein Hund schaut gebannt zu, wie sich das Frauchen vor dem Joggen dehnt. Martin Röder hat gerade die Rhododendren geschnitten, deren prachtvolle Blütezeit schon vorbei ist. Der 48-Jährige freut sich über die Stille. „Der Corona-Lockdown war eine schlimme Zeit“, sagt der Angestellte der Vorwerk-Stiftung. Es seien viele Menschen in den Park gekommen, die wohl noch nie in der Natur waren. „Da durfte ich dann jeden Tag drei bis vier Stunden Müll aufräumen“, ärgert sich der Mann in der grünen Latzhose. Mit den Lockerungen hat sich die Lage normalisiert und der Vorwerk-Park ist wieder eine Oase.
Eine ganz neue
Perspektive auf das Tal
Neben seinem Park hat Röder für uns noch einen anderen Lieblingsort: die Königshöhe. „Ich wohne seit 15 Jahren in Wuppertal, aber die Königshöhe habe ich erst vor zwei Jahren entdeckt“, sagt er. Ihn habe besonders der Blick hinunter ins Tal fasziniert: „Da hat man eine ganz andere Perspektive auf die Stadt.“ Mittlerweile schießt Röder, der nebenbei als Jäger tätig ist, dort Wildschweine, die in Teilen Wuppertals zum Problem geworden sind. Die Ortslage auf dem Lichtscheider Höhenrücken sei aber auch optimal für Wanderungen geeignet.
Martin Röder hat recht. Obwohl in der Ferne bedrohlich schwarze Wolken aufziehen, halten auf der Straße mit dem Café-Restaurant Königshöhe immer wieder Autos. Menschen mit Windjacken und Rucksäcken steigen aus. Manchmal springt ein Hund aus dem Kofferraum und wedelt erwartungsvoll mit dem Schwanz. Als der Himmel ein Grummeln von sich gibt, bleibt ein junges Paar stehen, diskutiert kurz die Lage und dreht dann doch lieber um. Auf der Königshöhe ist man den Wolken eben nahe.
Anke und Volker Herzog (62 u. 71) kommen des Weges. Das aufziehende Regenwetter kann sie nicht schocken. Anke Herzog sagt: „Wir machen einen kleinen Spaziergang, weil wir ewig nicht hier oben waren.“ Nach 30 Jahren im Westen Wuppertals hat es das Ehepaar ganz in den Osten des Stadtgebiets verschlagen. Anke Herzog erklärt: „Wir sind mit meiner Tochter zusammengezogen.“ Und inzwischen wissen sie das östliche Stadtgebiet ganz neu zu schätzen. Kein Wunder, dass sie als neuen Lieblingsort auch ein Waldgebiet in der Nähe ihres neuen Zuhauses empfehlen: den Dellbusch von dem man einen tollen Blick ins Deilbachtal auf Sprockhöveler Stadtgebiet haben soll. Der nächste Ortswechsel steht damit fest: Auf ans nordöstliche Ende der Stadt.