Begrabt mein Herz in Wuppertal Zu verliebt in Wuppertal
Wuppertal · Auch wenn in der Nachbarschaft viel über die Schwebebahn-Stadt gelacht wird, hält der WZ-Kolumnist und Satiriker zu ihr.
Ich wohne an der Schwebebahn, direkt am Fluss. Ich beobachte gerne den Fischreiher, der direkt vor meinem Bürofenster seinen Stammplatz bezieht, um nach seinem Frühstück Ausschau zu halten. Das Geräusch der Wupper, das leise, beruhigende Plätschern des Wassers, begleitet mich den ganzen Tag. Eine kleine Oase und eine Quelle des Glücks und der Inspiration.
Die Hoffnung, dass die neue Generation der Schwebebahnen leiser sei, starb früh. Lauter ist sie geworden, unsere Hängebahn, viel lauter als damals, als die Waggons noch keine himmelblauen Kleidchen trugen. Das Quietschen ist fort, jedoch wurde es durch ein Hämmern und Schlagen ersetzt – es ist kaum auszuhalten. Wenn die Bahn morgens an meinem Schlafzimmer vorbeibollert, spüre ich körperlichen Schmerz, der kurz nachlässt, bevor dann die nächste Bahn die Folterung im Drei-Minuten-Takt fortsetzt. Auch wenn es für unsere Stadt und den Tourismus nicht schön ist, ein Jahr ohne Schwebebahn kann ich rein akustisch verschmerzen. Es wäre ja auch nicht das erste Mal. Ich möchte hier nicht ins Detail gehen, um zu erläutern, woran es liegt, dass die Räder schon abgenutzt sind und Schäden am Gerüst bereits nachgewiesen wurden.
Tatsache ist, die Welt, zumindest die kleine, bis nach Remscheid und Solingen, lacht über unser Wuppertal. Auch das schmerzt mich persönlich sehr. Gibt es doch keinen leidenschaftlicheren Botschafter unserer Stadt als mich. Meine Mobilität wird durch den kurzfristigen und längeren Ausfall der Schwebebahn nicht beeinträchtigt. Ich gehe schon länger fast nur noch zu Fuß oder schwebe auf Wolke 7, wie es mein alter Freund Aristoteles einmal sehr treffend beschrieb. Für alle anderen Menschen werden zusätzliche Busse eingesetzt. Das ist kein Problem. Wer aus dem Tal in die Höhen muss, wie Cronenberg oder so, der war immer schon vorrangig auf Busse, als auf die Schwebebahn angewiesen.
Bleiben wir cool und regen uns nicht zu sehr auf. Andere Städte haben überhaupt keine Schwebebahn. Und werden auch wahrscheinlich nie eine bekommen. Gut, wir haben bald auch keine mehr, vielleicht sogar für immer, wer weiß das schon. Ob das Fahrgerüst dann wohl abgebaut wird? Dies ist aus Sicherheitsgründen am Ende notwendig, weil die Gefahr zu hoch ist, dass Menschen aus Übermut das Gerüst besteigen und dann herunterfallen. Wir sollten bedenken, bei allem Kummer, den uns die Bahn in der letzten Zeit macht, dass es schlimmere Dinge gibt. Und dass unsere wunderbare Stadt immer noch mitten im Grünen liegt – Schwebebahn hin, Schwebebahn her.
Ich habe für mich eine Methode entwickelt, wie ich die Sorgen um unsere Schwebebahn und ihre derzeitigen Gebrechen von mir schieben kann. Es ist eigentlich ganz einfach. Als alter WSV-Fan stelle ich mir vor, die Schwebebahn wäre vor über 100 Jahren im verhassten Essen errichtet worden. Hier in Wuppertal hätten wir schon seit 1984 eine gut funktionierende U-Bahn. Und wenn man gerade dabei ist, könnte man sich auch noch glatt einbilden, die bröckelnde Mauer vom Döppersberg würde bald am Essener Hauptbahnhof einstürzen. In Gedanken könnte man sich dann richtig schön über diese blöden Essener und ihr Missgeschick lustig machen.
Ob ich es allerdings lange durchhalte, mir vorzustellen, der ganze Mist wäre in Essen und nicht in Wuppertal gebaut worden, wage ich zu bezweifeln. Ich bin einfach, wie Else Lasker-Schüler, zu verliebt in meine Stadt, um diesen Selbstbetrug lange auszuhalten. Immerhin: wenn es denn stimmt, dass die Schwebebahn ab August zumindest an den Wochenenden fahren sollte, dann wird sie am Samstag, den 28. November, dem 200. Geburtstag von Friedrich Engels, durchs Tal schweben. Ich würde allerdings, tut mir leid, für diesen Tag eher auf eine betriebsbedingte Störung tippen.